fertig gegessen, habe er auch sich endlich in sein Schicksal ergeben, und nachher habe er noch auf das Schönste die Clarinette geblasen. Er könne nähen wie der Teufel, so wie auch sein Vater nicht auf den Kopf gefallen sei, und die besten Garnhäspel zu machen verstehe weit und breit; allein es wäre einmal ein böses Blut in diesen verteufelten Bur¬ schen und daher müsse der junge Seuberling im Zaume gehalten und mit dem Heirathen vorsichtig verfahren werden. Sie lobte das Essen unaufhör¬ lich und pries jeden Bissen mit den überschwäng¬ lichsten Worten, nur bedauernd, daß sie ihrem Galgenstrick nichts davon geben könne, obschon er es nicht verdiene. Dazwischen brachte sie die Geschichte von drei oder vier Meisterfamilien an, bei denen ihr Söhnchen gearbeitet, die unschul¬ digen Zerwürfnisse mit denselben und lustige Vor¬ fälle, welche sich in den Dörfern ereignet, wo Meister und Geselle geschneidert hatten, so daß die Schicksale einer großen Menge unser Mahl würzten, ohne daß diese etwas davon ahnte. Nach dem Essen nahm die Frau, durch ein Paar Gläser Wein lustig geworden, meine Flöte
II. 22
fertig gegeſſen, habe er auch ſich endlich in ſein Schickſal ergeben, und nachher habe er noch auf das Schoͤnſte die Clarinette geblaſen. Er koͤnne naͤhen wie der Teufel, ſo wie auch ſein Vater nicht auf den Kopf gefallen ſei, und die beſten Garnhaͤspel zu machen verſtehe weit und breit; allein es waͤre einmal ein boͤſes Blut in dieſen verteufelten Bur¬ ſchen und daher muͤſſe der junge Seuberling im Zaume gehalten und mit dem Heirathen vorſichtig verfahren werden. Sie lobte das Eſſen unaufhoͤr¬ lich und pries jeden Biſſen mit den uͤberſchwaͤng¬ lichſten Worten, nur bedauernd, daß ſie ihrem Galgenſtrick nichts davon geben koͤnne, obſchon er es nicht verdiene. Dazwiſchen brachte ſie die Geſchichte von drei oder vier Meiſterfamilien an, bei denen ihr Soͤhnchen gearbeitet, die unſchul¬ digen Zerwuͤrfniſſe mit denſelben und luſtige Vor¬ faͤlle, welche ſich in den Doͤrfern ereignet, wo Meiſter und Geſelle geſchneidert hatten, ſo daß die Schickſale einer großen Menge unſer Mahl wuͤrzten, ohne daß dieſe etwas davon ahnte. Nach dem Eſſen nahm die Frau, durch ein Paar Glaͤſer Wein luſtig geworden, meine Floͤte
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fertig gegeſſen, habe er auch ſich endlich in ſein
Schickſal ergeben, und nachher habe er noch auf das
Schoͤnſte die Clarinette geblaſen. Er koͤnne naͤhen
wie der Teufel, ſo wie auch ſein Vater nicht auf
den Kopf gefallen ſei, und die beſten Garnhaͤspel
zu machen verſtehe weit und breit; allein es waͤre
einmal ein boͤſes Blut in dieſen verteufelten Bur¬
ſchen und daher muͤſſe der junge Seuberling im
Zaume gehalten und mit dem Heirathen vorſichtig
verfahren werden. Sie lobte das Eſſen unaufhoͤr¬
lich und pries jeden Biſſen mit den uͤberſchwaͤng¬
lichſten Worten, nur bedauernd, daß ſie ihrem
Galgenſtrick nichts davon geben koͤnne, obſchon
er es nicht verdiene. Dazwiſchen brachte ſie die
Geſchichte von drei oder vier Meiſterfamilien an,
bei denen ihr Soͤhnchen gearbeitet, die unſchul¬
digen Zerwuͤrfniſſe mit denſelben und luſtige Vor¬
faͤlle, welche ſich in den Doͤrfern ereignet, wo
Meiſter und Geſelle geſchneidert hatten, ſo daß die
Schickſale einer großen Menge unſer Mahl
wuͤrzten, ohne daß dieſe etwas davon ahnte.
Nach dem Eſſen nahm die Frau, durch ein
Paar Glaͤſer Wein luſtig geworden, meine Floͤte
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/347>, abgerufen am 27.11.2024.
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