fen und Arbeit, zu bewußtem Gestalten und Her¬ vorbringen um. Mehr als alles vorhergehende Ungemach weckte dieser eine, so einfache und doch so reiche Tag den ersten Schein der Klar¬ heit, die Morgendämmerung der reifern Jugend in mir auf. Als ich meine bisher übermalten Streifen und Bogen auf dem großen Bette aus¬ breitete, daß es mit wunderlich bunter Decke be¬ zogen war, fühlte ich mich mit einem Male über diese Dinge hinausgerückt und mit dem Bedürf¬ niß auch den Willen, sogleich einen Fortschritt aus mir selbst hervorzuzwingen. Es lag in der Luft, es lag in mir oder weiß Gott wo, daß ich das nächste Blatt mit mehr Energie und Geschick angegriffen vor mir schweben sah. Zuletzt eigent¬ lich mochte ich nur die äußere Anregung voraus¬ empfinden, die sich in diesem Augenblicke mir näherte.
Mein Oheim trat, von einer Aufsichtswande¬ rung zurückgekehrt, zu mir herein und faßte eine gutmeinende Verwunderung, als er mich von meinem Krame umgeben sah. Die kindliche Re¬ nomisterei und Keckheit meiner Machwerke, die
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fen und Arbeit, zu bewußtem Geſtalten und Her¬ vorbringen um. Mehr als alles vorhergehende Ungemach weckte dieſer eine, ſo einfache und doch ſo reiche Tag den erſten Schein der Klar¬ heit, die Morgendaͤmmerung der reifern Jugend in mir auf. Als ich meine bisher uͤbermalten Streifen und Bogen auf dem großen Bette aus¬ breitete, daß es mit wunderlich bunter Decke be¬ zogen war, fuͤhlte ich mich mit einem Male uͤber dieſe Dinge hinausgeruͤckt und mit dem Beduͤrf¬ niß auch den Willen, ſogleich einen Fortſchritt aus mir ſelbſt hervorzuzwingen. Es lag in der Luft, es lag in mir oder weiß Gott wo, daß ich das naͤchſte Blatt mit mehr Energie und Geſchick angegriffen vor mir ſchweben ſah. Zuletzt eigent¬ lich mochte ich nur die aͤußere Anregung voraus¬ empfinden, die ſich in dieſem Augenblicke mir naͤherte.
Mein Oheim trat, von einer Aufſichtswande¬ rung zuruͤckgekehrt, zu mir herein und faßte eine gutmeinende Verwunderung, als er mich von meinem Krame umgeben ſah. Die kindliche Re¬ nomiſterei und Keckheit meiner Machwerke, die
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[25/0035]
fen und Arbeit, zu bewußtem Geſtalten und Her¬
vorbringen um. Mehr als alles vorhergehende
Ungemach weckte dieſer eine, ſo einfache und
doch ſo reiche Tag den erſten Schein der Klar¬
heit, die Morgendaͤmmerung der reifern Jugend
in mir auf. Als ich meine bisher uͤbermalten
Streifen und Bogen auf dem großen Bette aus¬
breitete, daß es mit wunderlich bunter Decke be¬
zogen war, fuͤhlte ich mich mit einem Male uͤber
dieſe Dinge hinausgeruͤckt und mit dem Beduͤrf¬
niß auch den Willen, ſogleich einen Fortſchritt
aus mir ſelbſt hervorzuzwingen. Es lag in der
Luft, es lag in mir oder weiß Gott wo, daß ich
das naͤchſte Blatt mit mehr Energie und Geſchick
angegriffen vor mir ſchweben ſah. Zuletzt eigent¬
lich mochte ich nur die aͤußere Anregung voraus¬
empfinden, die ſich in dieſem Augenblicke mir
naͤherte.
Mein Oheim trat, von einer Aufſichtswande¬
rung zuruͤckgekehrt, zu mir herein und faßte eine
gutmeinende Verwunderung, als er mich von
meinem Krame umgeben ſah. Die kindliche Re¬
nomiſterei und Keckheit meiner Machwerke, die
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/35>, abgerufen am 23.11.2024.
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