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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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raschte uns in ihrer Wirklichkeit viel gewaltiger
und feuriger, als wir bei aller Erwartung darauf
gefaßt waren. Schnell begaben wir uns mit den
bereitgehaltenen Weingefäßen und einer Menge
Gläser in das Gewimmel, der Oheim und seine
Frau mit großen Körben voll ländlichen Back¬
werkes. Dieser erste Jubel, weit entfernt eine
frühe Erschöpfung zu bedeuten, war nur der
sichere Vorbote eines langen Freudentages und
noch herrlicherer Dinge. Die Muhme prüfte und
pries das schöne Vieh, streichelte und kraute be¬
rühmte Kühe, welche ihr wohlbekannt waren, und
machte tausend Späße mit dem jungen Volke;
der Oheim schenkte unaufhörlich ein, seine Töch¬
ter boten die Gläser herum und suchten die Mäd¬
chen zum Trinken zu überreden, während sie wohl
wußten, daß ihr ehrsames Geschlecht am frühen
Morgen keinen Wein trinkt. Desto munterer
sprachen die Hirtinnen den schmackhaften Kuchen
zu und versorgten mit denselben die vielen Kin¬
der, welche nebst ihren Ziegen den Zug vergrö¬
ßerten. In der Mitte des Gedränges stießen wir
auf die Müllersleute, welche den Feind von der

raſchte uns in ihrer Wirklichkeit viel gewaltiger
und feuriger, als wir bei aller Erwartung darauf
gefaßt waren. Schnell begaben wir uns mit den
bereitgehaltenen Weingefaͤßen und einer Menge
Glaͤſer in das Gewimmel, der Oheim und ſeine
Frau mit großen Koͤrben voll laͤndlichen Back¬
werkes. Dieſer erſte Jubel, weit entfernt eine
fruͤhe Erſchoͤpfung zu bedeuten, war nur der
ſichere Vorbote eines langen Freudentages und
noch herrlicherer Dinge. Die Muhme pruͤfte und
pries das ſchoͤne Vieh, ſtreichelte und kraute be¬
ruͤhmte Kuͤhe, welche ihr wohlbekannt waren, und
machte tauſend Spaͤße mit dem jungen Volke;
der Oheim ſchenkte unaufhoͤrlich ein, ſeine Toͤch¬
ter boten die Glaͤſer herum und ſuchten die Maͤd¬
chen zum Trinken zu uͤberreden, waͤhrend ſie wohl
wußten, daß ihr ehrſames Geſchlecht am fruͤhen
Morgen keinen Wein trinkt. Deſto munterer
ſprachen die Hirtinnen den ſchmackhaften Kuchen
zu und verſorgten mit denſelben die vielen Kin¬
der, welche nebſt ihren Ziegen den Zug vergroͤ¬
ßerten. In der Mitte des Gedraͤnges ſtießen wir
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[352/0362] raſchte uns in ihrer Wirklichkeit viel gewaltiger und feuriger, als wir bei aller Erwartung darauf gefaßt waren. Schnell begaben wir uns mit den bereitgehaltenen Weingefaͤßen und einer Menge Glaͤſer in das Gewimmel, der Oheim und ſeine Frau mit großen Koͤrben voll laͤndlichen Back¬ werkes. Dieſer erſte Jubel, weit entfernt eine fruͤhe Erſchoͤpfung zu bedeuten, war nur der ſichere Vorbote eines langen Freudentages und noch herrlicherer Dinge. Die Muhme pruͤfte und pries das ſchoͤne Vieh, ſtreichelte und kraute be¬ ruͤhmte Kuͤhe, welche ihr wohlbekannt waren, und machte tauſend Spaͤße mit dem jungen Volke; der Oheim ſchenkte unaufhoͤrlich ein, ſeine Toͤch¬ ter boten die Glaͤſer herum und ſuchten die Maͤd¬ chen zum Trinken zu uͤberreden, waͤhrend ſie wohl wußten, daß ihr ehrſames Geſchlecht am fruͤhen Morgen keinen Wein trinkt. Deſto munterer ſprachen die Hirtinnen den ſchmackhaften Kuchen zu und verſorgten mit denſelben die vielen Kin¬ der, welche nebſt ihren Ziegen den Zug vergroͤ¬ ßerten. In der Mitte des Gedraͤnges ſtießen wir auf die Muͤllersleute, welche den Feind von der

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/362>, abgerufen am 23.11.2024.