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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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ledig auf der Straße getrieben würden und gar
nicht vom Felde kämen, also er den Zoll zu for¬
dern berechtigt sei. Hierauf faßte der wackere
Tell den Schlagbaum, drückte ihn wie eine leichte
Feder in die Höhe und ließ Alles durchpassiren,
die Verantwortung auf sich nehmend. Die
Bauern ermahnte er, sich zeitig wieder einzufinden,
um seinen Thaten zuzusehen, uns Rittersleute
aber grüßte er kalt und stolz und er schien uns
auf unseren Pferden für wirkliches Tyrannenge¬
sindel anzusehen, so sehr war er in seine Würde
vertieft.

Endlich gelangten wir in den Marktflecken,
welcher für heute unser Altorf war. Als wir
durch das alte Thor ritten, fanden wir das win¬
zige Städtchen, welches nur einen mäßigen Platz
bildete, schon ganz belebt, voll Musik, Fahnen
und Tannenreiser an allen Häusern. Eben ritt
Herr Geßler hinaus, um in der Umgegend einige
Unthaten zu begehen, und nahm den Müller und
den Harras mit; ich stieg mit Anna vor dem
Rathhause ab, wo die übrigen Herrschaften ver¬
sammelt waren, und begleitete sie in den Saal,

ledig auf der Straße getrieben wuͤrden und gar
nicht vom Felde kaͤmen, alſo er den Zoll zu for¬
dern berechtigt ſei. Hierauf faßte der wackere
Tell den Schlagbaum, druͤckte ihn wie eine leichte
Feder in die Hoͤhe und ließ Alles durchpaſſiren,
die Verantwortung auf ſich nehmend. Die
Bauern ermahnte er, ſich zeitig wieder einzufinden,
um ſeinen Thaten zuzuſehen, uns Rittersleute
aber gruͤßte er kalt und ſtolz und er ſchien uns
auf unſeren Pferden fuͤr wirkliches Tyrannenge¬
ſindel anzuſehen, ſo ſehr war er in ſeine Wuͤrde
vertieft.

Endlich gelangten wir in den Marktflecken,
welcher fuͤr heute unſer Altorf war. Als wir
durch das alte Thor ritten, fanden wir das win¬
zige Staͤdtchen, welches nur einen maͤßigen Platz
bildete, ſchon ganz belebt, voll Muſik, Fahnen
und Tannenreiſer an allen Haͤuſern. Eben ritt
Herr Geßler hinaus, um in der Umgegend einige
Unthaten zu begehen, und nahm den Muͤller und
den Harras mit; ich ſtieg mit Anna vor dem
Rathhauſe ab, wo die uͤbrigen Herrſchaften ver¬
ſammelt waren, und begleitete ſie in den Saal,

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[359/0369] ledig auf der Straße getrieben wuͤrden und gar nicht vom Felde kaͤmen, alſo er den Zoll zu for¬ dern berechtigt ſei. Hierauf faßte der wackere Tell den Schlagbaum, druͤckte ihn wie eine leichte Feder in die Hoͤhe und ließ Alles durchpaſſiren, die Verantwortung auf ſich nehmend. Die Bauern ermahnte er, ſich zeitig wieder einzufinden, um ſeinen Thaten zuzuſehen, uns Rittersleute aber gruͤßte er kalt und ſtolz und er ſchien uns auf unſeren Pferden fuͤr wirkliches Tyrannenge¬ ſindel anzuſehen, ſo ſehr war er in ſeine Wuͤrde vertieft. Endlich gelangten wir in den Marktflecken, welcher fuͤr heute unſer Altorf war. Als wir durch das alte Thor ritten, fanden wir das win¬ zige Staͤdtchen, welches nur einen maͤßigen Platz bildete, ſchon ganz belebt, voll Muſik, Fahnen und Tannenreiſer an allen Haͤuſern. Eben ritt Herr Geßler hinaus, um in der Umgegend einige Unthaten zu begehen, und nahm den Muͤller und den Harras mit; ich ſtieg mit Anna vor dem Rathhauſe ab, wo die uͤbrigen Herrſchaften ver¬ ſammelt waren, und begleitete ſie in den Saal,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/369>, abgerufen am 23.11.2024.