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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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chem Gewande gekränkt; diese Privatansprüche
an ein öffentliches Werk, von vorleuchtenden
Männern mit Heftigkeit unter sich behauptet,
das Hervorkehren des persönlichen Verdienstes und
Ansehens widersprachen durchaus dem Bilde,
welches von dem unparteiischen und unberührten
Wesen des Staates in mir war und das ich mir
auch von den berühmten Volksmännern gemacht
hatte. Ich äußerte diesen Eindruck in vorlauten
Worten gegen Anna's Vater, hinzufügend, daß
mir der Vorwurf der Kleinlichkeit, des Eigen¬
nutzes und der Engherzigkeit, welcher den Schwei¬
zern von fremden, namentlich deutschen Reisenden
gemacht würde, nun bald gerecht erschiene. Der
Schulmeister milderte in etwas meinen Tadel
und forderte mich zur Duldsamkeit auf mit der
menschlichen Unvollkommenheit, welche auch diese
sonst wackeren Männer überschatte. Uebrigens,
meinte er, sei nicht zu läugnen, daß unsere Frei¬
heitsliebe noch zu sehr ein Gewächs der Scholle
sei und daß unseren Fortschrittsmännern die wahre
Religiösität fehle, welche in das schwere politische
Leben jenen heiteren, frommen, liebevollen Leicht¬

chem Gewande gekraͤnkt; dieſe Privatanſpruͤche
an ein oͤffentliches Werk, von vorleuchtenden
Maͤnnern mit Heftigkeit unter ſich behauptet,
das Hervorkehren des perſoͤnlichen Verdienſtes und
Anſehens widerſprachen durchaus dem Bilde,
welches von dem unparteiiſchen und unberuͤhrten
Weſen des Staates in mir war und das ich mir
auch von den beruͤhmten Volksmaͤnnern gemacht
hatte. Ich aͤußerte dieſen Eindruck in vorlauten
Worten gegen Anna's Vater, hinzufuͤgend, daß
mir der Vorwurf der Kleinlichkeit, des Eigen¬
nutzes und der Engherzigkeit, welcher den Schwei¬
zern von fremden, namentlich deutſchen Reiſenden
gemacht wuͤrde, nun bald gerecht erſchiene. Der
Schulmeiſter milderte in etwas meinen Tadel
und forderte mich zur Duldſamkeit auf mit der
menſchlichen Unvollkommenheit, welche auch dieſe
ſonſt wackeren Maͤnner uͤberſchatte. Uebrigens,
meinte er, ſei nicht zu laͤugnen, daß unſere Frei¬
heitsliebe noch zu ſehr ein Gewaͤchs der Scholle
ſei und daß unſeren Fortſchrittsmaͤnnern die wahre
Religioͤſitaͤt fehle, welche in das ſchwere politiſche
Leben jenen heiteren, frommen, liebevollen Leicht¬

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[390/0400] chem Gewande gekraͤnkt; dieſe Privatanſpruͤche an ein oͤffentliches Werk, von vorleuchtenden Maͤnnern mit Heftigkeit unter ſich behauptet, das Hervorkehren des perſoͤnlichen Verdienſtes und Anſehens widerſprachen durchaus dem Bilde, welches von dem unparteiiſchen und unberuͤhrten Weſen des Staates in mir war und das ich mir auch von den beruͤhmten Volksmaͤnnern gemacht hatte. Ich aͤußerte dieſen Eindruck in vorlauten Worten gegen Anna's Vater, hinzufuͤgend, daß mir der Vorwurf der Kleinlichkeit, des Eigen¬ nutzes und der Engherzigkeit, welcher den Schwei¬ zern von fremden, namentlich deutſchen Reiſenden gemacht wuͤrde, nun bald gerecht erſchiene. Der Schulmeiſter milderte in etwas meinen Tadel und forderte mich zur Duldſamkeit auf mit der menſchlichen Unvollkommenheit, welche auch dieſe ſonſt wackeren Maͤnner uͤberſchatte. Uebrigens, meinte er, ſei nicht zu laͤugnen, daß unſere Frei¬ heitsliebe noch zu ſehr ein Gewaͤchs der Scholle ſei und daß unſeren Fortſchrittsmaͤnnern die wahre Religioͤſitaͤt fehle, welche in das ſchwere politiſche Leben jenen heiteren, frommen, liebevollen Leicht¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/400>, abgerufen am 27.11.2024.