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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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Thatsache, wie besonders in neuerer Zeit ein sol¬
ches Stück Volk, ein repräsentativer Körper durch
den einfachen Prozeß der Wahl sogleich etwas
ganz merkwürdig Verschiedenes wird, eines Theils
immer noch Volk, und andern Theils etwas dem
ganz Entgegengesetztes, fast Feindliches wird. Es
ist wie mit einer chemischen Materie, welche durch
das bloße Eintauchen eines Stäbchens, ja sogar
durch bloßes Stehen auf geheimnißvolle Weise
sich in ihrem ganzen Wesen verändert. Manch¬
mal will es fast scheinen, als ob die alten pa¬
tricischen Regierungen mehr den Grundcharakter
ihres Volkes zu zeigen und zu bewahren ver¬
mochten. Aber lasse dich ja nicht etwa ver¬
führen, unsere repräsentative Demokratie nicht
für die beste Verfassung zu halten! Besagte Er¬
scheinung dient bei einem gesunden Volke nur
zu einer wohlthätigen Heiterkeit, da es sich mit
aller Gemüthsruhe den Spaß macht, die wunder¬
bar verwandelte Materie manchmal etwas zu rüt¬
teln, die Phiole gegen das Licht zu halten, prü¬
fend hindurch zu gucken, und sie am Ende doch
zu seinem Nutzen zu verwenden.

Thatſache, wie beſonders in neuerer Zeit ein ſol¬
ches Stuͤck Volk, ein repraͤſentativer Koͤrper durch
den einfachen Prozeß der Wahl ſogleich etwas
ganz merkwuͤrdig Verſchiedenes wird, eines Theils
immer noch Volk, und andern Theils etwas dem
ganz Entgegengeſetztes, faſt Feindliches wird. Es
iſt wie mit einer chemiſchen Materie, welche durch
das bloße Eintauchen eines Staͤbchens, ja ſogar
durch bloßes Stehen auf geheimnißvolle Weiſe
ſich in ihrem ganzen Weſen veraͤndert. Manch¬
mal will es faſt ſcheinen, als ob die alten pa¬
triciſchen Regierungen mehr den Grundcharakter
ihres Volkes zu zeigen und zu bewahren ver¬
mochten. Aber laſſe dich ja nicht etwa ver¬
fuͤhren, unſere repraͤſentative Demokratie nicht
fuͤr die beſte Verfaſſung zu halten! Beſagte Er¬
ſcheinung dient bei einem geſunden Volke nur
zu einer wohlthaͤtigen Heiterkeit, da es ſich mit
aller Gemuͤthsruhe den Spaß macht, die wunder¬
bar verwandelte Materie manchmal etwas zu ruͤt¬
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fend hindurch zu gucken, und ſie am Ende doch
zu ſeinem Nutzen zu verwenden.

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[398/0408] Thatſache, wie beſonders in neuerer Zeit ein ſol¬ ches Stuͤck Volk, ein repraͤſentativer Koͤrper durch den einfachen Prozeß der Wahl ſogleich etwas ganz merkwuͤrdig Verſchiedenes wird, eines Theils immer noch Volk, und andern Theils etwas dem ganz Entgegengeſetztes, faſt Feindliches wird. Es iſt wie mit einer chemiſchen Materie, welche durch das bloße Eintauchen eines Staͤbchens, ja ſogar durch bloßes Stehen auf geheimnißvolle Weiſe ſich in ihrem ganzen Weſen veraͤndert. Manch¬ mal will es faſt ſcheinen, als ob die alten pa¬ triciſchen Regierungen mehr den Grundcharakter ihres Volkes zu zeigen und zu bewahren ver¬ mochten. Aber laſſe dich ja nicht etwa ver¬ fuͤhren, unſere repraͤſentative Demokratie nicht fuͤr die beſte Verfaſſung zu halten! Beſagte Er¬ ſcheinung dient bei einem geſunden Volke nur zu einer wohlthaͤtigen Heiterkeit, da es ſich mit aller Gemuͤthsruhe den Spaß macht, die wunder¬ bar verwandelte Materie manchmal etwas zu ruͤt¬ teln, die Phiole gegen das Licht zu halten, pruͤ¬ fend hindurch zu gucken, und ſie am Ende doch zu ſeinem Nutzen zu verwenden.

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 398. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/408>, abgerufen am 23.11.2024.