Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.welches von beiden das Vernünftige und von hö¬ Ich empfand eine große Theilnahme für den II. 26
welches von beiden das Vernuͤnftige und von hoͤ¬ Ich empfand eine große Theilnahme fuͤr den II. 26
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0411" n="401"/> welches von beiden das Vernuͤnftige und von hoͤ¬<lb/> herer Abſicht dem Menſchen Beſtimmte ſei: das<lb/> zu entſcheiden wage ich nicht, vielleicht wird es<lb/> die Zukunft thun. Aber wir haben beide Arten<lb/> in unſeren Zuſtaͤnden und dadurch ein verworre¬<lb/> nes Gemiſch von Abhaͤngigkeit und Freiheit und<lb/> von verſchiedenen Anſchauungen. Der Statthal¬<lb/> ter glaubt ſich abhaͤngig und enthaͤlt ſich waͤhrend<lb/> jeder Kriſe mit edlem Stolze gleichmaͤßig aller ei¬<lb/> genen Kundgebung und weiß dabei nicht einmal,<lb/> wie Viele ſich bemuͤhen, hinter ſeinem Ruͤcken<lb/> ſeine innerſten Gedanken zu erfahren, um ſich<lb/> danach zu richten.</p><lb/> <p>Ich empfand eine große Theilnahme fuͤr den<lb/> Statthalter und ehrte ihn aufrichtig, ohne mir<lb/> daruͤber Rechenſchaft geben zu koͤnnen; denn ich<lb/> mißbilligte hoͤchlich ſeine Scheu vor der Armuth,<lb/> und erſt ſpaͤter ward es mir klar, daß er das<lb/> Schwerſte geloͤſt habe: eine gezwungene Stellung<lb/> ganz ſo auszufuͤllen, als ob er dazu allein ge¬<lb/> macht waͤre, ohne muͤrriſch oder gar gemein zu<lb/> werden. Indeſſen waren mir die Reden des<lb/> Schulmeiſters uͤber das Erwerben und uͤber den<lb/> <fw place="bottom" type="sig">II. 26<lb/></fw> </p> </div> </body> </text> </TEI> [401/0411]
welches von beiden das Vernuͤnftige und von hoͤ¬
herer Abſicht dem Menſchen Beſtimmte ſei: das
zu entſcheiden wage ich nicht, vielleicht wird es
die Zukunft thun. Aber wir haben beide Arten
in unſeren Zuſtaͤnden und dadurch ein verworre¬
nes Gemiſch von Abhaͤngigkeit und Freiheit und
von verſchiedenen Anſchauungen. Der Statthal¬
ter glaubt ſich abhaͤngig und enthaͤlt ſich waͤhrend
jeder Kriſe mit edlem Stolze gleichmaͤßig aller ei¬
genen Kundgebung und weiß dabei nicht einmal,
wie Viele ſich bemuͤhen, hinter ſeinem Ruͤcken
ſeine innerſten Gedanken zu erfahren, um ſich
danach zu richten.
Ich empfand eine große Theilnahme fuͤr den
Statthalter und ehrte ihn aufrichtig, ohne mir
daruͤber Rechenſchaft geben zu koͤnnen; denn ich
mißbilligte hoͤchlich ſeine Scheu vor der Armuth,
und erſt ſpaͤter ward es mir klar, daß er das
Schwerſte geloͤſt habe: eine gezwungene Stellung
ganz ſo auszufuͤllen, als ob er dazu allein ge¬
macht waͤre, ohne muͤrriſch oder gar gemein zu
werden. Indeſſen waren mir die Reden des
Schulmeiſters uͤber das Erwerben und uͤber den
II. 26
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