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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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mehr sehen konnten. Ein warmer Hauch empfing
uns hier, goldene Lichter streiften hier und da
über das Moos und an den Stämmen, der Tritt
der Pferde war unhörbar, wir ritten gemächlich
zwischen durch, um die Tannen herum, bald trenn¬
ten wir uns und bald drängten wir uns nahe
zusammen zwischen zwei Säulen durch, wie durch
eine Himmelspforte. Eine solche Pforte fanden
wir aber gesperrt durch den quergezogenen Faden
einer frühen Spinne; derselbe blitzte in einem
Streiflichte in allen Farben, blau, grün und roth,
wie ein Diamantstrahl. Wir bückten uns ein¬
müthig darunter weg und in diesem Augenblicke
kamen sich unsere Gesichter so nah, daß wir uns
unwillkürlich küßten. Wir hatten schon im Hohl¬
weg zu sprechen angefangen und plauderten nun
eine Weile ganz glückselig, bis wir uns darauf
besannen, daß wir uns geküßt, und sahen, daß
wir roth wurden, wenn wir uns anblickten. Da
wurden wir wieder still. Der Wald senkte sich
nun auf die andere Seite hin und stand wieder
im tiefen Schatten. In der Tiefe sahen wir ein
Wasser glänzen und die gegenüberstehende Berg¬

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mehr ſehen konnten. Ein warmer Hauch empfing
uns hier, goldene Lichter ſtreiften hier und da
uͤber das Moos und an den Staͤmmen, der Tritt
der Pferde war unhoͤrbar, wir ritten gemaͤchlich
zwiſchen durch, um die Tannen herum, bald trenn¬
ten wir uns und bald draͤngten wir uns nahe
zuſammen zwiſchen zwei Saͤulen durch, wie durch
eine Himmelspforte. Eine ſolche Pforte fanden
wir aber geſperrt durch den quergezogenen Faden
einer fruͤhen Spinne; derſelbe blitzte in einem
Streiflichte in allen Farben, blau, gruͤn und roth,
wie ein Diamantſtrahl. Wir buͤckten uns ein¬
muͤthig darunter weg und in dieſem Augenblicke
kamen ſich unſere Geſichter ſo nah, daß wir uns
unwillkuͤrlich kuͤßten. Wir hatten ſchon im Hohl¬
weg zu ſprechen angefangen und plauderten nun
eine Weile ganz gluͤckſelig, bis wir uns darauf
beſannen, daß wir uns gekuͤßt, und ſahen, daß
wir roth wurden, wenn wir uns anblickten. Da
wurden wir wieder ſtill. Der Wald ſenkte ſich
nun auf die andere Seite hin und ſtand wieder
im tiefen Schatten. In der Tiefe ſahen wir ein
Waſſer glaͤnzen und die gegenuͤberſtehende Berg¬

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[409/0419] mehr ſehen konnten. Ein warmer Hauch empfing uns hier, goldene Lichter ſtreiften hier und da uͤber das Moos und an den Staͤmmen, der Tritt der Pferde war unhoͤrbar, wir ritten gemaͤchlich zwiſchen durch, um die Tannen herum, bald trenn¬ ten wir uns und bald draͤngten wir uns nahe zuſammen zwiſchen zwei Saͤulen durch, wie durch eine Himmelspforte. Eine ſolche Pforte fanden wir aber geſperrt durch den quergezogenen Faden einer fruͤhen Spinne; derſelbe blitzte in einem Streiflichte in allen Farben, blau, gruͤn und roth, wie ein Diamantſtrahl. Wir buͤckten uns ein¬ muͤthig darunter weg und in dieſem Augenblicke kamen ſich unſere Geſichter ſo nah, daß wir uns unwillkuͤrlich kuͤßten. Wir hatten ſchon im Hohl¬ weg zu ſprechen angefangen und plauderten nun eine Weile ganz gluͤckſelig, bis wir uns darauf beſannen, daß wir uns gekuͤßt, und ſahen, daß wir roth wurden, wenn wir uns anblickten. Da wurden wir wieder ſtill. Der Wald ſenkte ſich nun auf die andere Seite hin und ſtand wieder im tiefen Schatten. In der Tiefe ſahen wir ein Waſſer glaͤnzen und die gegenuͤberſtehende Berg¬ 26 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/419>, abgerufen am 23.11.2024.