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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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sah, wie das Volk das Gerüste zusammen brach
und mit den Kränzen auf einen gewaltigen Holz-
und Reisighaufen warf und diesen anzündete.
Hier ging auch die Verherrlichung des Tell vor
sich, statt vor seinem Hause, doch nicht mehr
nach der geschriebenen Ordnung, sondern in Folge
einer allgemeinen Erfindungslust, wie der Augen¬
blick sie in den tausend Köpfen erweckte, und der
Schluß der Handlung ging unbestimmt in eine
rauschende Freudenfeier über. Die weggejagten
Zwingherren mit ihrem Trosse waren wieder her¬
angeschlichen und gingen um unter dem Volke als
vergnügte Gespenster; sie stellten die harmloseste
Reaction vor. Auf allen Hügeln und Bergen
sahen wir jetzt die Fastnachtsfeuer brennen; das
unsrige flammte bereits in großem Umfange, wir
standen in einem Kreise hundertweise darum und
Tell, der Schütz, zeigte sich jetzt auch als einen
guten Sänger, sogar als einen Propheten, indem
er ein kräftiges Volkslied von der Sempacher¬
schlacht vorsang, dessen Chorzeilen von Allen
wiederholt wurden. Wein war in Menge vor¬
handen, es bildeten sich mehrere Liederchöre,

ſah, wie das Volk das Geruͤſte zuſammen brach
und mit den Kraͤnzen auf einen gewaltigen Holz-
und Reiſighaufen warf und dieſen anzuͤndete.
Hier ging auch die Verherrlichung des Tell vor
ſich, ſtatt vor ſeinem Hauſe, doch nicht mehr
nach der geſchriebenen Ordnung, ſondern in Folge
einer allgemeinen Erfindungsluſt, wie der Augen¬
blick ſie in den tauſend Koͤpfen erweckte, und der
Schluß der Handlung ging unbeſtimmt in eine
rauſchende Freudenfeier uͤber. Die weggejagten
Zwingherren mit ihrem Troſſe waren wieder her¬
angeſchlichen und gingen um unter dem Volke als
vergnuͤgte Geſpenſter; ſie ſtellten die harmloſeſte
Reaction vor. Auf allen Huͤgeln und Bergen
ſahen wir jetzt die Faſtnachtsfeuer brennen; das
unſrige flammte bereits in großem Umfange, wir
ſtanden in einem Kreiſe hundertweiſe darum und
Tell, der Schuͤtz, zeigte ſich jetzt auch als einen
guten Saͤnger, ſogar als einen Propheten, indem
er ein kraͤftiges Volkslied von der Sempacher¬
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[420/0430] ſah, wie das Volk das Geruͤſte zuſammen brach und mit den Kraͤnzen auf einen gewaltigen Holz- und Reiſighaufen warf und dieſen anzuͤndete. Hier ging auch die Verherrlichung des Tell vor ſich, ſtatt vor ſeinem Hauſe, doch nicht mehr nach der geſchriebenen Ordnung, ſondern in Folge einer allgemeinen Erfindungsluſt, wie der Augen¬ blick ſie in den tauſend Koͤpfen erweckte, und der Schluß der Handlung ging unbeſtimmt in eine rauſchende Freudenfeier uͤber. Die weggejagten Zwingherren mit ihrem Troſſe waren wieder her¬ angeſchlichen und gingen um unter dem Volke als vergnuͤgte Geſpenſter; ſie ſtellten die harmloſeſte Reaction vor. Auf allen Huͤgeln und Bergen ſahen wir jetzt die Faſtnachtsfeuer brennen; das unſrige flammte bereits in großem Umfange, wir ſtanden in einem Kreiſe hundertweiſe darum und Tell, der Schuͤtz, zeigte ſich jetzt auch als einen guten Saͤnger, ſogar als einen Propheten, indem er ein kraͤftiges Volkslied von der Sempacher¬ ſchlacht vorſang, deſſen Chorzeilen von Allen wiederholt wurden. Wein war in Menge vor¬ handen, es bildeten ſich mehrere Liederchoͤre,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 420. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/430>, abgerufen am 23.11.2024.