Bewußtseins, über die Christenfeuer des Mittelal¬ ters zu dem Frühlingsfeuer der Heidenzeit, das vielleicht zur selben Stunde, auf derselben Stelle gebrannt. In den dunklen Wolkenlagern schie¬ nen Heerzüge verschwundener Geschlechter vor¬ überzuziehen, manchmal anzuhalten über dem nächtlich singenden und tönenden Volkshaufen, als ob sie Lust hätten herabzusteigen und sich un¬ ter die zu mischen, welche ihre Spanne Zeit am Feuer vergaßen. Es war aber auch eine köstliche Stelle, diese Allmende; der bräunliche Boden, vom ersten Anflug des ergrünenden wilden Gra¬ ses Überschossen, dünkte uns weicher und elastischer als Sammetpolster, und vor der fränkischen Zeit schon war er für die Bewohner der Gegend das¬ selbe gewesen, was heute.
Die Stimmen der Weiber waren mit der Nacht lauter geworden; während die älteren schon fort¬ gegangen und die verheiratheten Männer sich zu¬ sammenthaten, um vertraute Zechstuben aufzusu¬ chen, begannen die Mädchen ihre Herrschaft un¬ befangener auszuüben, erst in lachenden Kreisen, bis zuletzt Alles bei einander war, was zusam¬
Bewußtſeins, uͤber die Chriſtenfeuer des Mittelal¬ ters zu dem Fruͤhlingsfeuer der Heidenzeit, das vielleicht zur ſelben Stunde, auf derſelben Stelle gebrannt. In den dunklen Wolkenlagern ſchie¬ nen Heerzuͤge verſchwundener Geſchlechter vor¬ uͤberzuziehen, manchmal anzuhalten uͤber dem naͤchtlich ſingenden und toͤnenden Volkshaufen, als ob ſie Luſt haͤtten herabzuſteigen und ſich un¬ ter die zu miſchen, welche ihre Spanne Zeit am Feuer vergaßen. Es war aber auch eine koͤſtliche Stelle, dieſe Allmende; der braͤunliche Boden, vom erſten Anflug des ergruͤnenden wilden Gra¬ ſes Überſchoſſen, duͤnkte uns weicher und elaſtiſcher als Sammetpolſter, und vor der fraͤnkiſchen Zeit ſchon war er fuͤr die Bewohner der Gegend daſ¬ ſelbe geweſen, was heute.
Die Stimmen der Weiber waren mit der Nacht lauter geworden; waͤhrend die aͤlteren ſchon fort¬ gegangen und die verheiratheten Maͤnner ſich zu¬ ſammenthaten, um vertraute Zechſtuben aufzuſu¬ chen, begannen die Maͤdchen ihre Herrſchaft un¬ befangener auszuuͤben, erſt in lachenden Kreiſen, bis zuletzt Alles bei einander war, was zuſam¬
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Bewußtſeins, uͤber die Chriſtenfeuer des Mittelal¬
ters zu dem Fruͤhlingsfeuer der Heidenzeit, das
vielleicht zur ſelben Stunde, auf derſelben Stelle
gebrannt. In den dunklen Wolkenlagern ſchie¬
nen Heerzuͤge verſchwundener Geſchlechter vor¬
uͤberzuziehen, manchmal anzuhalten uͤber dem
naͤchtlich ſingenden und toͤnenden Volkshaufen,
als ob ſie Luſt haͤtten herabzuſteigen und ſich un¬
ter die zu miſchen, welche ihre Spanne Zeit am
Feuer vergaßen. Es war aber auch eine koͤſtliche
Stelle, dieſe Allmende; der braͤunliche Boden,
vom erſten Anflug des ergruͤnenden wilden Gra¬
ſes Überſchoſſen, duͤnkte uns weicher und elaſtiſcher
als Sammetpolſter, und vor der fraͤnkiſchen Zeit
ſchon war er fuͤr die Bewohner der Gegend daſ¬
ſelbe geweſen, was heute.
Die Stimmen der Weiber waren mit der Nacht
lauter geworden; waͤhrend die aͤlteren ſchon fort¬
gegangen und die verheiratheten Maͤnner ſich zu¬
ſammenthaten, um vertraute Zechſtuben aufzuſu¬
chen, begannen die Maͤdchen ihre Herrſchaft un¬
befangener auszuuͤben, erſt in lachenden Kreiſen,
bis zuletzt Alles bei einander war, was zuſam¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/432>, abgerufen am 23.11.2024.
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