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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

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und um seine mageren Gestaltungen wirft, wie
einen Theatermantel.

Den berückenden Trank schöpfte ich jedoch
nicht aus einem anspruchsvollen und blendenden
Zauberbecher, sondern aus einer bescheidenen lieb¬
lichen Hirtenschaale; denn bei allen Redensarten
war dies Geßner'sche Wesen durchaus einfacher
und unschuldiger Natur und führte mich für ein¬
mal nur mit etwas mehr Bewußtsein unter grü¬
nen Baumschatten und an stille Waldquellen.

In der Biographie machte ich auch die Be¬
kanntschaft mit dem alten Sulzer, welcher in Ber¬
lin des jungen Geßner Gönner gewesen; wie ich
nun unter den Büchern einige stattliche Bände
der "Theorie der schönen Künste" wahrnahm,
nahm ich sie als in mein neuentdecktes Gebiet
gehörig in Beschlag. Dies Buch muß seiner Zeit
eine gewaltige Verbreitung gefunden haben, da
man es fast in allen alten Bücherschränken fin¬
det und es auf allen Auktionen spukt und für
wenig Geld erstanden werden kann. Wie ich die
encyklopädische Einrichtung desselben bemerkte,
schlug ich flugs den Artikel Landschaftsmalerei

und um ſeine mageren Geſtaltungen wirft, wie
einen Theatermantel.

Den beruͤckenden Trank ſchoͤpfte ich jedoch
nicht aus einem anſpruchsvollen und blendenden
Zauberbecher, ſondern aus einer beſcheidenen lieb¬
lichen Hirtenſchaale; denn bei allen Redensarten
war dies Geßner'ſche Weſen durchaus einfacher
und unſchuldiger Natur und fuͤhrte mich fuͤr ein¬
mal nur mit etwas mehr Bewußtſein unter gruͤ¬
nen Baumſchatten und an ſtille Waldquellen.

In der Biographie machte ich auch die Be¬
kanntſchaft mit dem alten Sulzer, welcher in Ber¬
lin des jungen Geßner Goͤnner geweſen; wie ich
nun unter den Buͤchern einige ſtattliche Baͤnde
der »Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte« wahrnahm,
nahm ich ſie als in mein neuentdecktes Gebiet
gehoͤrig in Beſchlag. Dies Buch muß ſeiner Zeit
eine gewaltige Verbreitung gefunden haben, da
man es faſt in allen alten Buͤcherſchraͤnken fin¬
det und es auf allen Auktionen ſpukt und fuͤr
wenig Geld erſtanden werden kann. Wie ich die
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[41/0051] und um ſeine mageren Geſtaltungen wirft, wie einen Theatermantel. Den beruͤckenden Trank ſchoͤpfte ich jedoch nicht aus einem anſpruchsvollen und blendenden Zauberbecher, ſondern aus einer beſcheidenen lieb¬ lichen Hirtenſchaale; denn bei allen Redensarten war dies Geßner'ſche Weſen durchaus einfacher und unſchuldiger Natur und fuͤhrte mich fuͤr ein¬ mal nur mit etwas mehr Bewußtſein unter gruͤ¬ nen Baumſchatten und an ſtille Waldquellen. In der Biographie machte ich auch die Be¬ kanntſchaft mit dem alten Sulzer, welcher in Ber¬ lin des jungen Geßner Goͤnner geweſen; wie ich nun unter den Buͤchern einige ſtattliche Baͤnde der »Theorie der ſchoͤnen Kuͤnſte« wahrnahm, nahm ich ſie als in mein neuentdecktes Gebiet gehoͤrig in Beſchlag. Dies Buch muß ſeiner Zeit eine gewaltige Verbreitung gefunden haben, da man es faſt in allen alten Buͤcherſchraͤnken fin¬ det und es auf allen Auktionen ſpukt und fuͤr wenig Geld erſtanden werden kann. Wie ich die encyklopaͤdiſche Einrichtung deſſelben bemerkte, ſchlug ich flugs den Artikel Landſchaftsmalerei

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/51>, abgerufen am 04.12.2024.