Der Schulmeister trat an das Fenster und schaute etwas überrascht hinaus.
"Also dieser kleine See z. B., diese meine holdselige Einsamkeit würde ein genugsamer Gegenstand sein für die Kunst, obgleich Niemand den Namen kennte, bloß wegen der Milde und Macht Gottes, die sich auch hier offenbart?"
"Ja gewiß! ich hoffe noch, Euch diesen See mit seinem dunklen Ufer, mit dieser Abendsonne so zu malen, daß Ihr mit Vergnügen diesen Nachmittag darin erkennen sollt und selbst sagen müßt, es sei weiter hierzu nichts nöthig, um be¬ deutend zu sein, d. h. wenn ich ein Maler wer¬ den kann und etwas Rechtes lerne!" setzte ich hinzu.
"Jetzt habe ich alter Mensch wieder etwas Neues gelernt," sagte mein Vetter gerührt, "es ist doch höchst merkwürdig, in wie vielen Weisen der menschliche Geist sich äußern kann. Mir scheint, Ihr seid auf einem guten und frommen Wege, und wenn Ihr ein solches Stück zu Stande bringen könnt, so möchte es leichtlich so verdienstvoll sein, als ein gutes geistliches Früh¬
Der Schulmeiſter trat an das Fenſter und ſchaute etwas uͤberraſcht hinaus.
»Alſo dieſer kleine See z. B., dieſe meine holdſelige Einſamkeit wuͤrde ein genugſamer Gegenſtand ſein fuͤr die Kunſt, obgleich Niemand den Namen kennte, bloß wegen der Milde und Macht Gottes, die ſich auch hier offenbart?«
»Ja gewiß! ich hoffe noch, Euch dieſen See mit ſeinem dunklen Ufer, mit dieſer Abendſonne ſo zu malen, daß Ihr mit Vergnuͤgen dieſen Nachmittag darin erkennen ſollt und ſelbſt ſagen muͤßt, es ſei weiter hierzu nichts noͤthig, um be¬ deutend zu ſein, d. h. wenn ich ein Maler wer¬ den kann und etwas Rechtes lerne!« ſetzte ich hinzu.
»Jetzt habe ich alter Menſch wieder etwas Neues gelernt,« ſagte mein Vetter geruͤhrt, »es iſt doch hoͤchſt merkwuͤrdig, in wie vielen Weiſen der menſchliche Geiſt ſich aͤußern kann. Mir ſcheint, Ihr ſeid auf einem guten und frommen Wege, und wenn Ihr ein ſolches Stuͤck zu Stande bringen koͤnnt, ſo moͤchte es leichtlich ſo verdienſtvoll ſein, als ein gutes geiſtliches Fruͤh¬
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Der Schulmeiſter trat an das Fenſter und
ſchaute etwas uͤberraſcht hinaus.
»Alſo dieſer kleine See z. B., dieſe meine
holdſelige Einſamkeit wuͤrde ein genugſamer
Gegenſtand ſein fuͤr die Kunſt, obgleich Niemand
den Namen kennte, bloß wegen der Milde und
Macht Gottes, die ſich auch hier offenbart?«
»Ja gewiß! ich hoffe noch, Euch dieſen See
mit ſeinem dunklen Ufer, mit dieſer Abendſonne
ſo zu malen, daß Ihr mit Vergnuͤgen dieſen
Nachmittag darin erkennen ſollt und ſelbſt ſagen
muͤßt, es ſei weiter hierzu nichts noͤthig, um be¬
deutend zu ſein, d. h. wenn ich ein Maler wer¬
den kann und etwas Rechtes lerne!« ſetzte ich
hinzu.
»Jetzt habe ich alter Menſch wieder etwas
Neues gelernt,« ſagte mein Vetter geruͤhrt, »es
iſt doch hoͤchſt merkwuͤrdig, in wie vielen Weiſen
der menſchliche Geiſt ſich aͤußern kann. Mir
ſcheint, Ihr ſeid auf einem guten und frommen
Wege, und wenn Ihr ein ſolches Stuͤck zu
Stande bringen koͤnnt, ſo moͤchte es leichtlich ſo
verdienſtvoll ſein, als ein gutes geiſtliches Fruͤh¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/82>, abgerufen am 04.12.2024.
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