Ein mächtiger Küchenduft verbreitete sich durch das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte den Schulmeister, auf ein Zeichen der alten Köchin, zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬ dern. Dort war ein kleiner, heller und kühler Saal, welcher zwischen seinen ganz geweißten Wänden nichts enthielt, als einen länglichen Tisch, Stühle und eine alte Hausorgel. Der Tisch war gedeckt, wir setzten uns zu einem fröhlichen Abend¬ essen, welches aus den Fischen bestand, so die Vettern mit wenig Bescheidenheit ausgewählt hat¬ ten. Ländliches Backwerk und Früchte und ein milder unschuldiger Wein, an der Höhe hinter dem Hause gewachsen, schmückten das einfache und in seiner Art doch gewählte und anständige Mahl, der Alte würzte es mit sinnigen Reden, die Jungen scherzten und gaben sich naive Räth¬ sel und Wortspiele auf, und dies Alles über¬ goldete ein gehobener sonntäglicher Ton, anders, als ob man zu Hause, und anders, als ob man in einer gewöhnlichen Bauernfamilie wäre. Als wir uns genugsam erfrischt, schritt der Schul¬ meister zu der Orgel hin und öffnete dieselbe,
Ein maͤchtiger Kuͤchenduft verbreitete ſich durch das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte den Schulmeiſter, auf ein Zeichen der alten Koͤchin, zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬ dern. Dort war ein kleiner, heller und kuͤhler Saal, welcher zwiſchen ſeinen ganz geweißten Waͤnden nichts enthielt, als einen laͤnglichen Tiſch, Stuͤhle und eine alte Hausorgel. Der Tiſch war gedeckt, wir ſetzten uns zu einem froͤhlichen Abend¬ eſſen, welches aus den Fiſchen beſtand, ſo die Vettern mit wenig Beſcheidenheit ausgewaͤhlt hat¬ ten. Laͤndliches Backwerk und Fruͤchte und ein milder unſchuldiger Wein, an der Hoͤhe hinter dem Hauſe gewachſen, ſchmuͤckten das einfache und in ſeiner Art doch gewaͤhlte und anſtaͤndige Mahl, der Alte wuͤrzte es mit ſinnigen Reden, die Jungen ſcherzten und gaben ſich naive Raͤth¬ ſel und Wortſpiele auf, und dies Alles uͤber¬ goldete ein gehobener ſonntaͤglicher Ton, anders, als ob man zu Hauſe, und anders, als ob man in einer gewoͤhnlichen Bauernfamilie waͤre. Als wir uns genugſam erfriſcht, ſchritt der Schul¬ meiſter zu der Orgel hin und oͤffnete dieſelbe,
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Ein maͤchtiger Kuͤchenduft verbreitete ſich durch
das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte
den Schulmeiſter, auf ein Zeichen der alten Koͤchin,
zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬
dern. Dort war ein kleiner, heller und kuͤhler
Saal, welcher zwiſchen ſeinen ganz geweißten
Waͤnden nichts enthielt, als einen laͤnglichen Tiſch,
Stuͤhle und eine alte Hausorgel. Der Tiſch war
gedeckt, wir ſetzten uns zu einem froͤhlichen Abend¬
eſſen, welches aus den Fiſchen beſtand, ſo die
Vettern mit wenig Beſcheidenheit ausgewaͤhlt hat¬
ten. Laͤndliches Backwerk und Fruͤchte und ein
milder unſchuldiger Wein, an der Hoͤhe hinter
dem Hauſe gewachſen, ſchmuͤckten das einfache
und in ſeiner Art doch gewaͤhlte und anſtaͤndige
Mahl, der Alte wuͤrzte es mit ſinnigen Reden,
die Jungen ſcherzten und gaben ſich naive Raͤth¬
ſel und Wortſpiele auf, und dies Alles uͤber¬
goldete ein gehobener ſonntaͤglicher Ton, anders,
als ob man zu Hauſe, und anders, als ob man
in einer gewoͤhnlichen Bauernfamilie waͤre. Als
wir uns genugſam erfriſcht, ſchritt der Schul¬
meiſter zu der Orgel hin und oͤffnete dieſelbe,
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/84>, abgerufen am 04.12.2024.
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