Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854.

Bild:
<< vorherige Seite

Ein mächtiger Küchenduft verbreitete sich durch
das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte
den Schulmeister, auf ein Zeichen der alten Köchin,
zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬
dern. Dort war ein kleiner, heller und kühler
Saal, welcher zwischen seinen ganz geweißten
Wänden nichts enthielt, als einen länglichen Tisch,
Stühle und eine alte Hausorgel. Der Tisch war
gedeckt, wir setzten uns zu einem fröhlichen Abend¬
essen, welches aus den Fischen bestand, so die
Vettern mit wenig Bescheidenheit ausgewählt hat¬
ten. Ländliches Backwerk und Früchte und ein
milder unschuldiger Wein, an der Höhe hinter
dem Hause gewachsen, schmückten das einfache
und in seiner Art doch gewählte und anständige
Mahl, der Alte würzte es mit sinnigen Reden,
die Jungen scherzten und gaben sich naive Räth¬
sel und Wortspiele auf, und dies Alles über¬
goldete ein gehobener sonntäglicher Ton, anders,
als ob man zu Hause, und anders, als ob man
in einer gewöhnlichen Bauernfamilie wäre. Als
wir uns genugsam erfrischt, schritt der Schul¬
meister zu der Orgel hin und öffnete dieselbe,

Ein maͤchtiger Kuͤchenduft verbreitete ſich durch
das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte
den Schulmeiſter, auf ein Zeichen der alten Koͤchin,
zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬
dern. Dort war ein kleiner, heller und kuͤhler
Saal, welcher zwiſchen ſeinen ganz geweißten
Waͤnden nichts enthielt, als einen laͤnglichen Tiſch,
Stuͤhle und eine alte Hausorgel. Der Tiſch war
gedeckt, wir ſetzten uns zu einem froͤhlichen Abend¬
eſſen, welches aus den Fiſchen beſtand, ſo die
Vettern mit wenig Beſcheidenheit ausgewaͤhlt hat¬
ten. Laͤndliches Backwerk und Fruͤchte und ein
milder unſchuldiger Wein, an der Hoͤhe hinter
dem Hauſe gewachſen, ſchmuͤckten das einfache
und in ſeiner Art doch gewaͤhlte und anſtaͤndige
Mahl, der Alte wuͤrzte es mit ſinnigen Reden,
die Jungen ſcherzten und gaben ſich naive Raͤth¬
ſel und Wortſpiele auf, und dies Alles uͤber¬
goldete ein gehobener ſonntaͤglicher Ton, anders,
als ob man zu Hauſe, und anders, als ob man
in einer gewoͤhnlichen Bauernfamilie waͤre. Als
wir uns genugſam erfriſcht, ſchritt der Schul¬
meiſter zu der Orgel hin und oͤffnete dieſelbe,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0084" n="74"/>
        <p>Ein ma&#x0364;chtiger Ku&#x0364;chenduft verbreitete &#x017F;ich durch<lb/>
das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte<lb/>
den Schulmei&#x017F;ter, auf ein Zeichen der alten Ko&#x0364;chin,<lb/>
zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬<lb/>
dern. Dort war ein kleiner, heller und ku&#x0364;hler<lb/>
Saal, welcher zwi&#x017F;chen &#x017F;einen ganz geweißten<lb/>
Wa&#x0364;nden nichts enthielt, als einen la&#x0364;nglichen Ti&#x017F;ch,<lb/>
Stu&#x0364;hle und eine alte Hausorgel. Der Ti&#x017F;ch war<lb/>
gedeckt, wir &#x017F;etzten uns zu einem fro&#x0364;hlichen Abend¬<lb/>
e&#x017F;&#x017F;en, welches aus den Fi&#x017F;chen be&#x017F;tand, &#x017F;o die<lb/>
Vettern mit wenig Be&#x017F;cheidenheit ausgewa&#x0364;hlt hat¬<lb/>
ten. La&#x0364;ndliches Backwerk und Fru&#x0364;chte und ein<lb/>
milder un&#x017F;chuldiger Wein, an der Ho&#x0364;he hinter<lb/>
dem Hau&#x017F;e gewach&#x017F;en, &#x017F;chmu&#x0364;ckten das einfache<lb/>
und in &#x017F;einer Art doch gewa&#x0364;hlte und an&#x017F;ta&#x0364;ndige<lb/>
Mahl, der Alte wu&#x0364;rzte es mit &#x017F;innigen Reden,<lb/>
die Jungen &#x017F;cherzten und gaben &#x017F;ich naive Ra&#x0364;th¬<lb/>
&#x017F;el und Wort&#x017F;piele auf, und dies Alles u&#x0364;ber¬<lb/>
goldete ein gehobener &#x017F;onnta&#x0364;glicher Ton, anders,<lb/>
als ob man zu Hau&#x017F;e, und anders, als ob man<lb/>
in einer gewo&#x0364;hnlichen Bauernfamilie wa&#x0364;re. Als<lb/>
wir uns genug&#x017F;am erfri&#x017F;cht, &#x017F;chritt der Schul¬<lb/>
mei&#x017F;ter zu der Orgel hin und o&#x0364;ffnete die&#x017F;elbe,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[74/0084] Ein maͤchtiger Kuͤchenduft verbreitete ſich durch das Haus, zog die Knaben herbei und veranlaßte den Schulmeiſter, auf ein Zeichen der alten Koͤchin, zum Aufbruch in das obere Stockwerk aufzufor¬ dern. Dort war ein kleiner, heller und kuͤhler Saal, welcher zwiſchen ſeinen ganz geweißten Waͤnden nichts enthielt, als einen laͤnglichen Tiſch, Stuͤhle und eine alte Hausorgel. Der Tiſch war gedeckt, wir ſetzten uns zu einem froͤhlichen Abend¬ eſſen, welches aus den Fiſchen beſtand, ſo die Vettern mit wenig Beſcheidenheit ausgewaͤhlt hat¬ ten. Laͤndliches Backwerk und Fruͤchte und ein milder unſchuldiger Wein, an der Hoͤhe hinter dem Hauſe gewachſen, ſchmuͤckten das einfache und in ſeiner Art doch gewaͤhlte und anſtaͤndige Mahl, der Alte wuͤrzte es mit ſinnigen Reden, die Jungen ſcherzten und gaben ſich naive Raͤth¬ ſel und Wortſpiele auf, und dies Alles uͤber¬ goldete ein gehobener ſonntaͤglicher Ton, anders, als ob man zu Hauſe, und anders, als ob man in einer gewoͤhnlichen Bauernfamilie waͤre. Als wir uns genugſam erfriſcht, ſchritt der Schul¬ meiſter zu der Orgel hin und oͤffnete dieſelbe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/84
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/84>, abgerufen am 04.12.2024.