Gedanken beschäftigt, daß sie für diesmal ihre Wanderung einstellte, um sich ganz in denselben zu ergehen.
Der folgende Tag jedoch rief sie wieder zur gänzlichen Erfüllung ihrer Mutterpflicht auf und führte sie mit neuen Sorgen und Zweifeln auf den Weg. Sie gelangte zu einem dritten Freunde des Vaters, einem Schuster, der im Geruche tie¬ fen Verstandes lebte und ein gewaltiger Politiker war. Seit dem Tode meines Vaters war er durch die Zeitereignisse in eine strenge demokra¬ tische und sozialistische Richtung hineingetreten. Nach mißlaunischer Anhörung des Berichtes und des Erfolges der gestrigen Bemühungen brach er barsch los:
"Maler, Landkartenmacher, Blümchenzeichner, Stubensitzer, Herrenknecht! Handlanger der Geld¬ aristokraten, Gehülfe des Luxus und der Ver¬ weichlichung, als Landkartenmacher sogar direkter Vorschubleister des bestialischen Kriegswesens! Handwerk, ehrliche und schwere Handarbeit ist uns von nöthen, gute Frau! Wenn Euer Mann lebte, so würde er den Jungen so gewiß durch
Gedanken beſchaͤftigt, daß ſie fuͤr diesmal ihre Wanderung einſtellte, um ſich ganz in denſelben zu ergehen.
Der folgende Tag jedoch rief ſie wieder zur gaͤnzlichen Erfuͤllung ihrer Mutterpflicht auf und fuͤhrte ſie mit neuen Sorgen und Zweifeln auf den Weg. Sie gelangte zu einem dritten Freunde des Vaters, einem Schuſter, der im Geruche tie¬ fen Verſtandes lebte und ein gewaltiger Politiker war. Seit dem Tode meines Vaters war er durch die Zeitereigniſſe in eine ſtrenge demokra¬ tiſche und ſozialiſtiſche Richtung hineingetreten. Nach mißlauniſcher Anhoͤrung des Berichtes und des Erfolges der geſtrigen Bemuͤhungen brach er barſch los:
»Maler, Landkartenmacher, Bluͤmchenzeichner, Stubenſitzer, Herrenknecht! Handlanger der Geld¬ ariſtokraten, Gehuͤlfe des Luxus und der Ver¬ weichlichung, als Landkartenmacher ſogar direkter Vorſchubleiſter des beſtialiſchen Kriegsweſens! Handwerk, ehrliche und ſchwere Handarbeit iſt uns von noͤthen, gute Frau! Wenn Euer Mann lebte, ſo wuͤrde er den Jungen ſo gewiß durch
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Gedanken beſchaͤftigt, daß ſie fuͤr diesmal ihre
Wanderung einſtellte, um ſich ganz in denſelben
zu ergehen.
Der folgende Tag jedoch rief ſie wieder zur
gaͤnzlichen Erfuͤllung ihrer Mutterpflicht auf und
fuͤhrte ſie mit neuen Sorgen und Zweifeln auf
den Weg. Sie gelangte zu einem dritten Freunde
des Vaters, einem Schuſter, der im Geruche tie¬
fen Verſtandes lebte und ein gewaltiger Politiker
war. Seit dem Tode meines Vaters war er
durch die Zeitereigniſſe in eine ſtrenge demokra¬
tiſche und ſozialiſtiſche Richtung hineingetreten.
Nach mißlauniſcher Anhoͤrung des Berichtes und
des Erfolges der geſtrigen Bemuͤhungen brach er
barſch los:
»Maler, Landkartenmacher, Bluͤmchenzeichner,
Stubenſitzer, Herrenknecht! Handlanger der Geld¬
ariſtokraten, Gehuͤlfe des Luxus und der Ver¬
weichlichung, als Landkartenmacher ſogar direkter
Vorſchubleiſter des beſtialiſchen Kriegsweſens!
Handwerk, ehrliche und ſchwere Handarbeit iſt
uns von noͤthen, gute Frau! Wenn Euer Mann
lebte, ſo wuͤrde er den Jungen ſo gewiß durch
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 2. Braunschweig, 1854, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich02_1854/97>, abgerufen am 04.12.2024.
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