ihn im Besitze guter Mittel, denn er hatte seine Armuth sorgfältig verborgen. Meine Mutter be¬ stand darauf, daß er das Geliehene zurückgeben müsse, und war zornig, daß Jemand von dem zum Besten ihres Söhnleins bestimmten kleinen Geldvorrathe sich ohne Weiteres einen Theil an¬ eignen wolle. Was ich gelernt, zog sie nicht in Betracht, weil sie es für die Schuldigkeit aller Welt hielt, mir mitzutheilen, was man irgend Gutes wußte.
Ich dagegen, theils weil ich zuletzt auch ge¬ gen Römer eingenommen war und ihn für eine Art Schwindler hielt, theils weil ich meine Mut¬ ter zur Herausgabe der Summe beredet, und end¬ lich aus Unverstand und Verblendung, hatte nichts einzuwenden und war vielmehr fast schadenfroh, Römer etwas Feindliches anzuthun. Als daher die Mutter ein Billet an ihn schrieb und ich ein¬ sah, daß er, wenn er entschlossen war, das Geld zu behalten, die Mahnung einer in seinen Augen gewöhnlichen Frau nicht beachten werde, cassirte ich das Schreiben meiner Mutter, welche ohne¬ dies verlegen war, an einen so ansehnlichen und
ihn im Beſitze guter Mittel, denn er hatte ſeine Armuth ſorgfaͤltig verborgen. Meine Mutter be¬ ſtand darauf, daß er das Geliehene zuruͤckgeben muͤſſe, und war zornig, daß Jemand von dem zum Beſten ihres Soͤhnleins beſtimmten kleinen Geldvorrathe ſich ohne Weiteres einen Theil an¬ eignen wolle. Was ich gelernt, zog ſie nicht in Betracht, weil ſie es fuͤr die Schuldigkeit aller Welt hielt, mir mitzutheilen, was man irgend Gutes wußte.
Ich dagegen, theils weil ich zuletzt auch ge¬ gen Roͤmer eingenommen war und ihn fuͤr eine Art Schwindler hielt, theils weil ich meine Mut¬ ter zur Herausgabe der Summe beredet, und end¬ lich aus Unverſtand und Verblendung, hatte nichts einzuwenden und war vielmehr faſt ſchadenfroh, Roͤmer etwas Feindliches anzuthun. Als daher die Mutter ein Billet an ihn ſchrieb und ich ein¬ ſah, daß er, wenn er entſchloſſen war, das Geld zu behalten, die Mahnung einer in ſeinen Augen gewoͤhnlichen Frau nicht beachten werde, caſſirte ich das Schreiben meiner Mutter, welche ohne¬ dies verlegen war, an einen ſo anſehnlichen und
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ihn im Beſitze guter Mittel, denn er hatte ſeine
Armuth ſorgfaͤltig verborgen. Meine Mutter be¬
ſtand darauf, daß er das Geliehene zuruͤckgeben
muͤſſe, und war zornig, daß Jemand von dem
zum Beſten ihres Soͤhnleins beſtimmten kleinen
Geldvorrathe ſich ohne Weiteres einen Theil an¬
eignen wolle. Was ich gelernt, zog ſie nicht in
Betracht, weil ſie es fuͤr die Schuldigkeit aller
Welt hielt, mir mitzutheilen, was man irgend
Gutes wußte.
Ich dagegen, theils weil ich zuletzt auch ge¬
gen Roͤmer eingenommen war und ihn fuͤr eine
Art Schwindler hielt, theils weil ich meine Mut¬
ter zur Herausgabe der Summe beredet, und end¬
lich aus Unverſtand und Verblendung, hatte nichts
einzuwenden und war vielmehr faſt ſchadenfroh,
Roͤmer etwas Feindliches anzuthun. Als daher
die Mutter ein Billet an ihn ſchrieb und ich ein¬
ſah, daß er, wenn er entſchloſſen war, das Geld
zu behalten, die Mahnung einer in ſeinen Augen
gewoͤhnlichen Frau nicht beachten werde, caſſirte
ich das Schreiben meiner Mutter, welche ohne¬
dies verlegen war, an einen ſo anſehnlichen und
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/110>, abgerufen am 24.11.2024.
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