Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.zierlich platonischen Wesen der Jugend noch etwas In solchen Augenblicken rafften wir uns auf; zierlich platoniſchen Weſen der Jugend noch etwas In ſolchen Augenblicken rafften wir uns auf; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0135" n="125"/> zierlich platoniſchen Weſen der Jugend noch etwas<lb/> mit zu leben. Unſere Haͤnde bewegten ſich manch¬<lb/> mal unwillkuͤrlich nach den Schultern oder den<lb/> Huͤften des Anderen, um ſich darum zu legen,<lb/> tappten aber auf halbem Wege in der Luft und<lb/> endigten mit einem zaghaften abgebrochenen Wan¬<lb/> genſtreicheln, ſo daß wir naͤrriſcher Weiſe zwei<lb/> jungen Katzen glichen, welche mit den Pfoͤtchen<lb/> nach einander auslangen, elektriſch zitternd und<lb/> unſchluͤſſig, ob ſie ſpielen oder ſich zerzauſen ſollen.<lb/></p> <p>In ſolchen Augenblicken rafften wir uns auf;<lb/> Judith zog ihre Schuhe an und begleitete mich<lb/> in die Sommernacht hinaus; es reizte uns, un¬<lb/> geſehen in's Freie zu gelangen und auf naͤchtliche<lb/> Abenteuer durch den Wald und uͤber die Hoͤhen<lb/> zu gehen. Solche romantiſche Gewohnheiten ver¬<lb/> gnuͤgten meine Begleiterin um ſo mehr, als ſie<lb/> ihr neu waren und ſie noch nie ohne einen be¬<lb/> ſtimmten und außerordentlichen Zweck naͤchtlicher<lb/> Weiſe aus dem Dorfe gegangen war. Sie freuete<lb/> ſich aber dieſer Freiheit um ihrer ſelbſt willen und<lb/> nicht aus Naturſchwaͤrmerei, weil ſie einmal ein<lb/> abgeſondertes und eigenes Leben fuͤhrte, obgleich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [125/0135]
zierlich platoniſchen Weſen der Jugend noch etwas
mit zu leben. Unſere Haͤnde bewegten ſich manch¬
mal unwillkuͤrlich nach den Schultern oder den
Huͤften des Anderen, um ſich darum zu legen,
tappten aber auf halbem Wege in der Luft und
endigten mit einem zaghaften abgebrochenen Wan¬
genſtreicheln, ſo daß wir naͤrriſcher Weiſe zwei
jungen Katzen glichen, welche mit den Pfoͤtchen
nach einander auslangen, elektriſch zitternd und
unſchluͤſſig, ob ſie ſpielen oder ſich zerzauſen ſollen.
In ſolchen Augenblicken rafften wir uns auf;
Judith zog ihre Schuhe an und begleitete mich
in die Sommernacht hinaus; es reizte uns, un¬
geſehen in's Freie zu gelangen und auf naͤchtliche
Abenteuer durch den Wald und uͤber die Hoͤhen
zu gehen. Solche romantiſche Gewohnheiten ver¬
gnuͤgten meine Begleiterin um ſo mehr, als ſie
ihr neu waren und ſie noch nie ohne einen be¬
ſtimmten und außerordentlichen Zweck naͤchtlicher
Weiſe aus dem Dorfe gegangen war. Sie freuete
ſich aber dieſer Freiheit um ihrer ſelbſt willen und
nicht aus Naturſchwaͤrmerei, weil ſie einmal ein
abgeſondertes und eigenes Leben fuͤhrte, obgleich
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