am tiefblauen Himmel, Alles war so frisch und leuchtend und doch so streng und fromm geformt, daß die sinnliche Gewalt, welche auf den reichen Gliedern der Hauptfigur herrschte, auf dem hei¬ ligsten Rechtsboden zu stehen schien.
Das Hauptbild aber und auf welches er den meisten Fleiß verwandte, war eine größere Kom¬ position, deren Veranlassung die Psalmworte ge¬ geben: Wohl dem, der nicht sitzet auf der Bank der Spötter! Auf einer halbkreisförmigen Stein¬ bank in einer römischen Villa, unter einem Re¬ bendache, saßen vier bis fünf Männer in der Tracht des achtzehnten Jahrhunderts, einen an¬ tiken Marmortisch vor sich, auf welchem Cham¬ pagner in hohen venetianischen Gläsern perlte. Vor dem Tische, mit dem Rücken gegen den Be¬ schauer gewendet, saß einzeln ein üppig gewachse¬ nes junges Mädchen, festlich geschmückt, welches eine Laute stimmt und, während sie mit beiden Händen damit beschäftigt ist, aus einem Glase trinkt, das ihr der nächste der Männer, ein kaum neunzehnjähriger Jüngling, an den Mund hält. Dieser sah beim lässigen Hinhalten des Glases
am tiefblauen Himmel, Alles war ſo friſch und leuchtend und doch ſo ſtreng und fromm geformt, daß die ſinnliche Gewalt, welche auf den reichen Gliedern der Hauptfigur herrſchte, auf dem hei¬ ligſten Rechtsboden zu ſtehen ſchien.
Das Hauptbild aber und auf welches er den meiſten Fleiß verwandte, war eine groͤßere Kom¬ poſition, deren Veranlaſſung die Pſalmworte ge¬ geben: Wohl dem, der nicht ſitzet auf der Bank der Spoͤtter! Auf einer halbkreisfoͤrmigen Stein¬ bank in einer roͤmiſchen Villa, unter einem Re¬ bendache, ſaßen vier bis fuͤnf Maͤnner in der Tracht des achtzehnten Jahrhunderts, einen an¬ tiken Marmortiſch vor ſich, auf welchem Cham¬ pagner in hohen venetianiſchen Glaͤſern perlte. Vor dem Tiſche, mit dem Ruͤcken gegen den Be¬ ſchauer gewendet, ſaß einzeln ein uͤppig gewachſe¬ nes junges Maͤdchen, feſtlich geſchmuͤckt, welches eine Laute ſtimmt und, waͤhrend ſie mit beiden Haͤnden damit beſchaͤftigt iſt, aus einem Glaſe trinkt, das ihr der naͤchſte der Maͤnner, ein kaum neunzehnjaͤhriger Juͤngling, an den Mund haͤlt. Dieſer ſah beim laͤſſigen Hinhalten des Glaſes
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am tiefblauen Himmel, Alles war ſo friſch und
leuchtend und doch ſo ſtreng und fromm geformt,
daß die ſinnliche Gewalt, welche auf den reichen
Gliedern der Hauptfigur herrſchte, auf dem hei¬
ligſten Rechtsboden zu ſtehen ſchien.
Das Hauptbild aber und auf welches er den
meiſten Fleiß verwandte, war eine groͤßere Kom¬
poſition, deren Veranlaſſung die Pſalmworte ge¬
geben: Wohl dem, der nicht ſitzet auf der Bank
der Spoͤtter! Auf einer halbkreisfoͤrmigen Stein¬
bank in einer roͤmiſchen Villa, unter einem Re¬
bendache, ſaßen vier bis fuͤnf Maͤnner in der
Tracht des achtzehnten Jahrhunderts, einen an¬
tiken Marmortiſch vor ſich, auf welchem Cham¬
pagner in hohen venetianiſchen Glaͤſern perlte.
Vor dem Tiſche, mit dem Ruͤcken gegen den Be¬
ſchauer gewendet, ſaß einzeln ein uͤppig gewachſe¬
nes junges Maͤdchen, feſtlich geſchmuͤckt, welches
eine Laute ſtimmt und, waͤhrend ſie mit beiden
Haͤnden damit beſchaͤftigt iſt, aus einem Glaſe
trinkt, das ihr der naͤchſte der Maͤnner, ein kaum
neunzehnjaͤhriger Juͤngling, an den Mund haͤlt.
Dieſer ſah beim laͤſſigen Hinhalten des Glaſes
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/197>, abgerufen am 21.11.2024.
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