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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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klären und ging darüber hinweg, daß sein Freund
Lys, wenn er nur einige Stunden in der Woche
still und aufmerksam gemalt hatte, viel zufriedener
und vergnügter schien, obgleich er ein arger Atheist
war, als Heinrich, wenn er die ganze Woche
componirt und mit der Kohle gedichtet. Desto
bescheiden wohlgefälliger nahm er die Achtung
vieler jungen Deutschen hin, welche sein tiefsin¬
niges Bestreben lobten und ihn für einen höchst
respectablen Scholaren erklärten.

Warum Heinrich nicht auf dem kürzesten
Wege, durch das gute Beispiel Ferdinand's, das
ihm so nahe war, zur gesunden Wahrheit zurück¬
kehrte, fand seinen Grund eben in der Verschie¬
denheit ihrer religiösen Einsichten. Der Hollän¬
der hatte ohne besondere Aufregungen abgeschlossen
und war ruhig; Heinrich griff ihn beständig an;
aber Ferdinand setzte ihm jene Art von Ueber¬
legenheit entgegen, welche nicht sowohl aus der
Wahrheit als aus der Harmonie der Grundsätze
mit dem übrigen Thun und Lassen entspringt,
während Heinrich die Unruhe einer einzelnen,
verfrühten oder verspäteten Ueberzeugung äußerte

klaͤren und ging daruͤber hinweg, daß ſein Freund
Lys, wenn er nur einige Stunden in der Woche
ſtill und aufmerkſam gemalt hatte, viel zufriedener
und vergnuͤgter ſchien, obgleich er ein arger Atheiſt
war, als Heinrich, wenn er die ganze Woche
componirt und mit der Kohle gedichtet. Deſto
beſcheiden wohlgefaͤlliger nahm er die Achtung
vieler jungen Deutſchen hin, welche ſein tiefſin¬
niges Beſtreben lobten und ihn fuͤr einen hoͤchſt
reſpectablen Scholaren erklaͤrten.

Warum Heinrich nicht auf dem kuͤrzeſten
Wege, durch das gute Beiſpiel Ferdinand's, das
ihm ſo nahe war, zur geſunden Wahrheit zuruͤck¬
kehrte, fand ſeinen Grund eben in der Verſchie¬
denheit ihrer religioͤſen Einſichten. Der Hollaͤn¬
der hatte ohne beſondere Aufregungen abgeſchloſſen
und war ruhig; Heinrich griff ihn beſtaͤndig an;
aber Ferdinand ſetzte ihm jene Art von Ueber¬
legenheit entgegen, welche nicht ſowohl aus der
Wahrheit als aus der Harmonie der Grundſaͤtze
mit dem uͤbrigen Thun und Laſſen entſpringt,
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[201/0211] klaͤren und ging daruͤber hinweg, daß ſein Freund Lys, wenn er nur einige Stunden in der Woche ſtill und aufmerkſam gemalt hatte, viel zufriedener und vergnuͤgter ſchien, obgleich er ein arger Atheiſt war, als Heinrich, wenn er die ganze Woche componirt und mit der Kohle gedichtet. Deſto beſcheiden wohlgefaͤlliger nahm er die Achtung vieler jungen Deutſchen hin, welche ſein tiefſin¬ niges Beſtreben lobten und ihn fuͤr einen hoͤchſt reſpectablen Scholaren erklaͤrten. Warum Heinrich nicht auf dem kuͤrzeſten Wege, durch das gute Beiſpiel Ferdinand's, das ihm ſo nahe war, zur geſunden Wahrheit zuruͤck¬ kehrte, fand ſeinen Grund eben in der Verſchie¬ denheit ihrer religioͤſen Einſichten. Der Hollaͤn¬ der hatte ohne beſondere Aufregungen abgeſchloſſen und war ruhig; Heinrich griff ihn beſtaͤndig an; aber Ferdinand ſetzte ihm jene Art von Ueber¬ legenheit entgegen, welche nicht ſowohl aus der Wahrheit als aus der Harmonie der Grundſaͤtze mit dem uͤbrigen Thun und Laſſen entſpringt, waͤhrend Heinrich die Unruhe einer einzelnen, verfruͤhten oder verſpaͤteten Ueberzeugung aͤußerte

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/211>, abgerufen am 23.11.2024.