alten Trachtenbücher und den Weißkunig vor sich, in Stoff, Schnitt und Schmuck die eigensinnigen Neigungen, den unkundigen Modegeschmack der Frauensleute im Zaum zu halten. Wo Liebe mithalf, da spielte der anmuthigste Roman in den Sammet- und Goldstoffen und um die Per¬ lenschnüre, und manche zur Probe Vollgeschmückte entzog sich den verlangenden Armen ihres augen¬ seligen Geliebten mit einem Lächeln, welches den weisen Sinn der Schönen verrieth, daß sie auf einen bessern Augenblick zu hoffen wisse, wann Pauken und Trompeten ertönten und die glänzen¬ den Paarreihen sich schwängen.
Heinrich sah solchem Glücke halb gleichgültig, halb sehnsüchtig zu und war, als frei und ledig und mit seinen eigenen Sachen handlich und ohne Geräusch bald fertig, Anderen dienstbar in ihren vermehrten Geschäften. Es war sein müt¬ terliches Erbtheil, daß er still und rasch seine eigene Person zu versehen und zugleich alle Auf¬ merksamkeit Anderen zu schenken wußte. Solche Züge verkünden ein tüchtiges Geblüt und weit mehr ein wahrhaft gutes Herkommen, als alle
alten Trachtenbuͤcher und den Weißkunig vor ſich, in Stoff, Schnitt und Schmuck die eigenſinnigen Neigungen, den unkundigen Modegeſchmack der Frauensleute im Zaum zu halten. Wo Liebe mithalf, da ſpielte der anmuthigſte Roman in den Sammet- und Goldſtoffen und um die Per¬ lenſchnuͤre, und manche zur Probe Vollgeſchmuͤckte entzog ſich den verlangenden Armen ihres augen¬ ſeligen Geliebten mit einem Laͤcheln, welches den weiſen Sinn der Schoͤnen verrieth, daß ſie auf einen beſſern Augenblick zu hoffen wiſſe, wann Pauken und Trompeten ertoͤnten und die glaͤnzen¬ den Paarreihen ſich ſchwaͤngen.
Heinrich ſah ſolchem Gluͤcke halb gleichguͤltig, halb ſehnſuͤchtig zu und war, als frei und ledig und mit ſeinen eigenen Sachen handlich und ohne Geraͤuſch bald fertig, Anderen dienſtbar in ihren vermehrten Geſchaͤften. Es war ſein muͤt¬ terliches Erbtheil, daß er ſtill und raſch ſeine eigene Perſon zu verſehen und zugleich alle Auf¬ merkſamkeit Anderen zu ſchenken wußte. Solche Zuͤge verkuͤnden ein tuͤchtiges Gebluͤt und weit mehr ein wahrhaft gutes Herkommen, als alle
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[215/0225]
alten Trachtenbuͤcher und den Weißkunig vor ſich,
in Stoff, Schnitt und Schmuck die eigenſinnigen
Neigungen, den unkundigen Modegeſchmack der
Frauensleute im Zaum zu halten. Wo Liebe
mithalf, da ſpielte der anmuthigſte Roman in
den Sammet- und Goldſtoffen und um die Per¬
lenſchnuͤre, und manche zur Probe Vollgeſchmuͤckte
entzog ſich den verlangenden Armen ihres augen¬
ſeligen Geliebten mit einem Laͤcheln, welches den
weiſen Sinn der Schoͤnen verrieth, daß ſie auf
einen beſſern Augenblick zu hoffen wiſſe, wann
Pauken und Trompeten ertoͤnten und die glaͤnzen¬
den Paarreihen ſich ſchwaͤngen.
Heinrich ſah ſolchem Gluͤcke halb gleichguͤltig,
halb ſehnſuͤchtig zu und war, als frei und ledig
und mit ſeinen eigenen Sachen handlich und
ohne Geraͤuſch bald fertig, Anderen dienſtbar in
ihren vermehrten Geſchaͤften. Es war ſein muͤt¬
terliches Erbtheil, daß er ſtill und raſch ſeine
eigene Perſon zu verſehen und zugleich alle Auf¬
merkſamkeit Anderen zu ſchenken wußte. Solche
Zuͤge verkuͤnden ein tuͤchtiges Gebluͤt und weit
mehr ein wahrhaft gutes Herkommen, als alle
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/225>, abgerufen am 25.11.2024.
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