von einem früheren Jahrtausend unterschied, näm¬ lich das der Buchdrucker und Formschneider, welche für Wort und Bild die Schleusen der unendlichen Vervielfältigung aufthaten und den Strom los¬ ließen, der nun die Welt überschwemmt. Vor bald vierhundert Jahren haben sie den Zapfen ausgestoßen, daß das Brünnlein sprang, und wo stehen wir jetzt? Es ist ein großes unentbehrliches Mittel geworden, welches der Unsinn ebenso be¬ hende braucht, als die Vernunft; es ist die Luft, welche der Gerechte, wie der Ungerechte athmet, und der Tischklopfer badet sich so munter und un¬ befangen in seiner Fluth, wie der Sperling im Bache. Weit hinter dieser Fluth ist die lang¬ same aber stäte Bewegung des eigentlichen Gei¬ stes geblieben, des Geistes, der nicht auf dem Papier, sondern in Fleisch und Blut lebt und sich nur von Leib zu Leib, von Auge zu Auge, von Ohr zu Ohr mittheilt, überzeugt, trennt und einigt.
Auch hier kommt zuletzt alles wieder auf den persönlichen Menschen an, wie er leibt und lebt und zu dem Anderen hintritt mit seiner Wahrheit oder Täuschung.
von einem fruͤheren Jahrtauſend unterſchied, naͤm¬ lich das der Buchdrucker und Formſchneider, welche fuͤr Wort und Bild die Schleuſen der unendlichen Vervielfaͤltigung aufthaten und den Strom los¬ ließen, der nun die Welt uͤberſchwemmt. Vor bald vierhundert Jahren haben ſie den Zapfen ausgeſtoßen, daß das Bruͤnnlein ſprang, und wo ſtehen wir jetzt? Es iſt ein großes unentbehrliches Mittel geworden, welches der Unſinn ebenſo be¬ hende braucht, als die Vernunft; es iſt die Luft, welche der Gerechte, wie der Ungerechte athmet, und der Tiſchklopfer badet ſich ſo munter und un¬ befangen in ſeiner Fluth, wie der Sperling im Bache. Weit hinter dieſer Fluth iſt die lang¬ ſame aber ſtaͤte Bewegung des eigentlichen Gei¬ ſtes geblieben, des Geiſtes, der nicht auf dem Papier, ſondern in Fleiſch und Blut lebt und ſich nur von Leib zu Leib, von Auge zu Auge, von Ohr zu Ohr mittheilt, uͤberzeugt, trennt und einigt.
Auch hier kommt zuletzt alles wieder auf den perſoͤnlichen Menſchen an, wie er leibt und lebt und zu dem Anderen hintritt mit ſeiner Wahrheit oder Taͤuſchung.
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von einem fruͤheren Jahrtauſend unterſchied, naͤm¬
lich das der Buchdrucker und Formſchneider, welche
fuͤr Wort und Bild die Schleuſen der unendlichen
Vervielfaͤltigung aufthaten und den Strom los¬
ließen, der nun die Welt uͤberſchwemmt. Vor
bald vierhundert Jahren haben ſie den Zapfen
ausgeſtoßen, daß das Bruͤnnlein ſprang, und wo
ſtehen wir jetzt? Es iſt ein großes unentbehrliches
Mittel geworden, welches der Unſinn ebenſo be¬
hende braucht, als die Vernunft; es iſt die Luft,
welche der Gerechte, wie der Ungerechte athmet,
und der Tiſchklopfer badet ſich ſo munter und un¬
befangen in ſeiner Fluth, wie der Sperling im
Bache. Weit hinter dieſer Fluth iſt die lang¬
ſame aber ſtaͤte Bewegung des eigentlichen Gei¬
ſtes geblieben, des Geiſtes, der nicht auf dem
Papier, ſondern in Fleiſch und Blut lebt und ſich
nur von Leib zu Leib, von Auge zu Auge, von
Ohr zu Ohr mittheilt, uͤberzeugt, trennt und einigt.
Auch hier kommt zuletzt alles wieder auf den
perſoͤnlichen Menſchen an, wie er leibt und lebt
und zu dem Anderen hintritt mit ſeiner Wahrheit
oder Taͤuſchung.
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/254>, abgerufen am 21.11.2024.
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