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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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ich eigentlich, so gut ich erst kürzlich noch zu sehen
geglaubt, noch gar nichts gesehen hatte, und ich
staunte noch mehr, das Bedeutende und Lehrreiche
nun meistens in Erscheinungen zu finden, die ich
vorher entweder übersehen, oder wenig beachtet.
Jedoch freute ich mich, sogleich zu verstehen, was
mein Begleiter jeweilig meinte, und mit ihm
einen kräftigen und doch klaren Schatten, einen
milden Ton oder eine zierliche Ausladung eines
Baumes zu sehen, und nachdem ich erst einige
Male mit ihm spaziert, hatte ich mich bald ge¬
wöhnt, die ganze landschaftliche Natur nicht mehr
als etwas Rundes und Greifliches, sondern nur
als Ein gemaltes Bilder- und Studiencabinet,
als etwas bloß vom richtigen Standpunkte aus
Sichtbares zu betrachten und in technischen Aus¬
drücken zu beurtheilen.

Als wir in seiner Wohnung anlangten, welche
aus ein paar eleganten Zimmern in einem schö¬
nen Hause bestand, setzte Römer sogleich seine
Mappen auf einen Stuhl vor das Sopha, hieß
mich auf dieses neben ihn sitzen und begann
die Sammlung seiner größten und werthvollsten

III. 2

ich eigentlich, ſo gut ich erſt kuͤrzlich noch zu ſehen
geglaubt, noch gar nichts geſehen hatte, und ich
ſtaunte noch mehr, das Bedeutende und Lehrreiche
nun meiſtens in Erſcheinungen zu finden, die ich
vorher entweder uͤberſehen, oder wenig beachtet.
Jedoch freute ich mich, ſogleich zu verſtehen, was
mein Begleiter jeweilig meinte, und mit ihm
einen kraͤftigen und doch klaren Schatten, einen
milden Ton oder eine zierliche Ausladung eines
Baumes zu ſehen, und nachdem ich erſt einige
Male mit ihm ſpaziert, hatte ich mich bald ge¬
woͤhnt, die ganze landſchaftliche Natur nicht mehr
als etwas Rundes und Greifliches, ſondern nur
als Ein gemaltes Bilder- und Studiencabinet,
als etwas bloß vom richtigen Standpunkte aus
Sichtbares zu betrachten und in techniſchen Aus¬
druͤcken zu beurtheilen.

Als wir in ſeiner Wohnung anlangten, welche
aus ein paar eleganten Zimmern in einem ſchoͤ¬
nen Hauſe beſtand, ſetzte Roͤmer ſogleich ſeine
Mappen auf einen Stuhl vor das Sopha, hieß
mich auf dieſes neben ihn ſitzen und begann
die Sammlung ſeiner groͤßten und werthvollſten

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[17/0027] ich eigentlich, ſo gut ich erſt kuͤrzlich noch zu ſehen geglaubt, noch gar nichts geſehen hatte, und ich ſtaunte noch mehr, das Bedeutende und Lehrreiche nun meiſtens in Erſcheinungen zu finden, die ich vorher entweder uͤberſehen, oder wenig beachtet. Jedoch freute ich mich, ſogleich zu verſtehen, was mein Begleiter jeweilig meinte, und mit ihm einen kraͤftigen und doch klaren Schatten, einen milden Ton oder eine zierliche Ausladung eines Baumes zu ſehen, und nachdem ich erſt einige Male mit ihm ſpaziert, hatte ich mich bald ge¬ woͤhnt, die ganze landſchaftliche Natur nicht mehr als etwas Rundes und Greifliches, ſondern nur als Ein gemaltes Bilder- und Studiencabinet, als etwas bloß vom richtigen Standpunkte aus Sichtbares zu betrachten und in techniſchen Aus¬ druͤcken zu beurtheilen. Als wir in ſeiner Wohnung anlangten, welche aus ein paar eleganten Zimmern in einem ſchoͤ¬ nen Hauſe beſtand, ſetzte Roͤmer ſogleich ſeine Mappen auf einen Stuhl vor das Sopha, hieß mich auf dieſes neben ihn ſitzen und begann die Sammlung ſeiner groͤßten und werthvollſten III. 2

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/27>, abgerufen am 03.12.2024.