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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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sowie der Saum des battistenen langen Rockes
sich unablässig in den Sträuchern und Dornen
verwickelten und zerrissen und so sein Fortkommen
erschwerten. Fluchend schlug er sich mit dem Ge¬
strüpp herum, als Heinrich zu ihm stieß.

Sobald sie sich erkannten, erzählte Heinrich
das Vorgefallene und in einem Tone, welcher
deutlich verrieth, wo der Erzähler hinaus wollte.
Ferdinand, welcher ein ausdauernder Trinker
war, aber alle eigentliche Betrunkenheit schon an
Männern verabscheute, empfand einen tiefen Ver¬
druß und suchte überdies mit der Aeußerung des¬
selben den weiteren Auslassungen Heinrich's zu¬
vorzukommen.

"Das ist eine schöne Geschichte!" rief er, "ist
das nun Deine größte Heldenthat? Ein unerfah¬
renes Mädchen berauscht zu machen? Wahrhaf¬
tig, ich habe das arme Kind guten Händen über¬
geben!"

"Uebergeben! Verlassen, verrathen willst Du
sagen!" rief Heinrich und übergoß nun seinen
Freund mit einer Fluth der bittersten Vorwürfe.

"Ist es denn so schwer," schloß er, "seinen

ſowie der Saum des battiſtenen langen Rockes
ſich unablaͤſſig in den Straͤuchern und Dornen
verwickelten und zerriſſen und ſo ſein Fortkommen
erſchwerten. Fluchend ſchlug er ſich mit dem Ge¬
ſtruͤpp herum, als Heinrich zu ihm ſtieß.

Sobald ſie ſich erkannten, erzaͤhlte Heinrich
das Vorgefallene und in einem Tone, welcher
deutlich verrieth, wo der Erzaͤhler hinaus wollte.
Ferdinand, welcher ein ausdauernder Trinker
war, aber alle eigentliche Betrunkenheit ſchon an
Maͤnnern verabſcheute, empfand einen tiefen Ver¬
druß und ſuchte uͤberdies mit der Aeußerung deſ¬
ſelben den weiteren Auslaſſungen Heinrich's zu¬
vorzukommen.

»Das iſt eine ſchoͤne Geſchichte!« rief er, »iſt
das nun Deine groͤßte Heldenthat? Ein unerfah¬
renes Maͤdchen berauſcht zu machen? Wahrhaf¬
tig, ich habe das arme Kind guten Haͤnden uͤber¬
geben!«

»Uebergeben! Verlaſſen, verrathen willſt Du
ſagen!« rief Heinrich und uͤbergoß nun ſeinen
Freund mit einer Fluth der bitterſten Vorwuͤrfe.

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[345/0355] ſowie der Saum des battiſtenen langen Rockes ſich unablaͤſſig in den Straͤuchern und Dornen verwickelten und zerriſſen und ſo ſein Fortkommen erſchwerten. Fluchend ſchlug er ſich mit dem Ge¬ ſtruͤpp herum, als Heinrich zu ihm ſtieß. Sobald ſie ſich erkannten, erzaͤhlte Heinrich das Vorgefallene und in einem Tone, welcher deutlich verrieth, wo der Erzaͤhler hinaus wollte. Ferdinand, welcher ein ausdauernder Trinker war, aber alle eigentliche Betrunkenheit ſchon an Maͤnnern verabſcheute, empfand einen tiefen Ver¬ druß und ſuchte uͤberdies mit der Aeußerung deſ¬ ſelben den weiteren Auslaſſungen Heinrich's zu¬ vorzukommen. »Das iſt eine ſchoͤne Geſchichte!« rief er, »iſt das nun Deine groͤßte Heldenthat? Ein unerfah¬ renes Maͤdchen berauſcht zu machen? Wahrhaf¬ tig, ich habe das arme Kind guten Haͤnden uͤber¬ geben!« »Uebergeben! Verlaſſen, verrathen willſt Du ſagen!« rief Heinrich und uͤbergoß nun ſeinen Freund mit einer Fluth der bitterſten Vorwuͤrfe. »Iſt es denn ſo ſchwer,« ſchloß er, »ſeinen

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/355>, abgerufen am 23.11.2024.