welche jedoch durch ihre liebliche Gegenwart bald wieder zerstreut wurde, und als sie nun selbst, in Gegenwart ihres Vaters, leise anfing, von einem Traume zu sprechen, den sie vor einigen Tagen geträumt, und ich daher sah, daß sie Willens sei, mich in das vermeintliche Geheimniß zu ziehen, glaubte ich unverweilt an die Sache, ehrte sie und fand sie nur um so liebenswürdiger, je mehr ich vorhin daran gezweifelt.
Als ich mich allein befand, dachte ich mehr darüber nach und erinnerte mich, von solchen Be¬ richten gelesen zu haben, wo, ohne etwas Wun¬ derbares und Uebernatürliches anzunehmen, auf noch unerforschte Gebiete und Fähigkeiten der Natur selbst hingewiesen wurde, so wie ich über¬ haupt bei reiflicher Betrachtung noch manches verborgene Band und Gesetz möglich halten mußte, wenn ich meine größte Möglichkeit, den lieben Gott, nicht zu sehr bloßstellen und in eine öde Einsamkeit bannen wollte.
Ich lag im Bette, als mir diese Gedanken klar wurden und ich mit denselben der Unschuld
welche jedoch durch ihre liebliche Gegenwart bald wieder zerſtreut wurde, und als ſie nun ſelbſt, in Gegenwart ihres Vaters, leiſe anfing, von einem Traume zu ſprechen, den ſie vor einigen Tagen getraͤumt, und ich daher ſah, daß ſie Willens ſei, mich in das vermeintliche Geheimniß zu ziehen, glaubte ich unverweilt an die Sache, ehrte ſie und fand ſie nur um ſo liebenswuͤrdiger, je mehr ich vorhin daran gezweifelt.
Als ich mich allein befand, dachte ich mehr daruͤber nach und erinnerte mich, von ſolchen Be¬ richten geleſen zu haben, wo, ohne etwas Wun¬ derbares und Uebernatuͤrliches anzunehmen, auf noch unerforſchte Gebiete und Faͤhigkeiten der Natur ſelbſt hingewieſen wurde, ſo wie ich uͤber¬ haupt bei reiflicher Betrachtung noch manches verborgene Band und Geſetz moͤglich halten mußte, wenn ich meine groͤßte Moͤglichkeit, den lieben Gott, nicht zu ſehr bloßſtellen und in eine oͤde Einſamkeit bannen wollte.
Ich lag im Bette, als mir dieſe Gedanken klar wurden und ich mit denſelben der Unſchuld
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0076"n="66"/>
welche jedoch durch ihre liebliche Gegenwart bald<lb/>
wieder zerſtreut wurde, und als ſie nun ſelbſt, in<lb/>
Gegenwart ihres Vaters, leiſe anfing, von einem<lb/>
Traume zu ſprechen, den ſie vor einigen Tagen<lb/>
getraͤumt, und ich daher ſah, daß ſie Willens ſei,<lb/>
mich in das vermeintliche Geheimniß zu ziehen,<lb/>
glaubte ich unverweilt an die Sache, ehrte ſie<lb/>
und fand ſie nur um ſo liebenswuͤrdiger, je mehr<lb/>
ich vorhin daran gezweifelt.</p><lb/><p>Als ich mich allein befand, dachte ich mehr<lb/>
daruͤber nach und erinnerte mich, von ſolchen Be¬<lb/>
richten geleſen zu haben, wo, ohne etwas Wun¬<lb/>
derbares und Uebernatuͤrliches anzunehmen, auf<lb/>
noch unerforſchte Gebiete und Faͤhigkeiten der<lb/>
Natur ſelbſt hingewieſen wurde, ſo wie ich uͤber¬<lb/>
haupt bei reiflicher Betrachtung noch manches<lb/>
verborgene Band und Geſetz moͤglich halten mußte,<lb/>
wenn ich meine groͤßte Moͤglichkeit, den lieben<lb/>
Gott, nicht zu ſehr bloßſtellen und in eine oͤde<lb/>
Einſamkeit bannen wollte.</p><lb/><p>Ich lag im Bette, als mir dieſe Gedanken<lb/>
klar wurden und ich mit denſelben der Unſchuld<lb/></p></div></body></text></TEI>
[66/0076]
welche jedoch durch ihre liebliche Gegenwart bald
wieder zerſtreut wurde, und als ſie nun ſelbſt, in
Gegenwart ihres Vaters, leiſe anfing, von einem
Traume zu ſprechen, den ſie vor einigen Tagen
getraͤumt, und ich daher ſah, daß ſie Willens ſei,
mich in das vermeintliche Geheimniß zu ziehen,
glaubte ich unverweilt an die Sache, ehrte ſie
und fand ſie nur um ſo liebenswuͤrdiger, je mehr
ich vorhin daran gezweifelt.
Als ich mich allein befand, dachte ich mehr
daruͤber nach und erinnerte mich, von ſolchen Be¬
richten geleſen zu haben, wo, ohne etwas Wun¬
derbares und Uebernatuͤrliches anzunehmen, auf
noch unerforſchte Gebiete und Faͤhigkeiten der
Natur ſelbſt hingewieſen wurde, ſo wie ich uͤber¬
haupt bei reiflicher Betrachtung noch manches
verborgene Band und Geſetz moͤglich halten mußte,
wenn ich meine groͤßte Moͤglichkeit, den lieben
Gott, nicht zu ſehr bloßſtellen und in eine oͤde
Einſamkeit bannen wollte.
Ich lag im Bette, als mir dieſe Gedanken
klar wurden und ich mit denſelben der Unſchuld
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/76>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.