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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Künstler. Es gehört dazu eine durchaus gedie¬
gene fast wissenschaftliche Bildung, eine strenge,
sichere und feine Zeichnung, welche noch mehr
auf dem Studium der menschlichen Gestalt, als
auf demjenigen der Bäume und Sträucher be¬
ruht, mit einem Wort: ein großer Styl, welcher
nur in dem Werthe einer ganzen reichen Erfah¬
rung bestehen kann, um den Glanz gemeiner Na¬
turwahrheit vergessen zu lassen; und mit allem
Diesem ist man erst zu einer ewigen Sonderlings¬
stellung und Armuth verdammt, und das mit
Recht, denn die ganze Art ist unberechtigt und
thöricht!"

Ich fügte mich diesen Reden aber nicht, weil
ich ihm schon abgemerkt hatte, daß das Erfinden
und ein tieferer Gehalt nicht seine Stärke waren;
denn schon mehr als ein Mal hatte er, meine
Anordnungen corrigirend, Lieblingsstellen in Berg¬
zügen oder Waldgründen, die ich recht bedeutsam
glaubte, gar nicht einmal gesehen, indem er sie
mit dem markigen Bleistifte schonungslos über¬
schraffirte und zu einem kräftigen aber nichtssa¬
genden Grunde ausglich. Wenn sie auch störten,

Kuͤnſtler. Es gehoͤrt dazu eine durchaus gedie¬
gene faſt wiſſenſchaftliche Bildung, eine ſtrenge,
ſichere und feine Zeichnung, welche noch mehr
auf dem Studium der menſchlichen Geſtalt, als
auf demjenigen der Baͤume und Straͤucher be¬
ruht, mit einem Wort: ein großer Styl, welcher
nur in dem Werthe einer ganzen reichen Erfah¬
rung beſtehen kann, um den Glanz gemeiner Na¬
turwahrheit vergeſſen zu laſſen; und mit allem
Dieſem iſt man erſt zu einer ewigen Sonderlings¬
ſtellung und Armuth verdammt, und das mit
Recht, denn die ganze Art iſt unberechtigt und
thoͤricht!«

Ich fuͤgte mich dieſen Reden aber nicht, weil
ich ihm ſchon abgemerkt hatte, daß das Erfinden
und ein tieferer Gehalt nicht ſeine Staͤrke waren;
denn ſchon mehr als ein Mal hatte er, meine
Anordnungen corrigirend, Lieblingsſtellen in Berg¬
zuͤgen oder Waldgruͤnden, die ich recht bedeutſam
glaubte, gar nicht einmal geſehen, indem er ſie
mit dem markigen Bleiſtifte ſchonungslos uͤber¬
ſchraffirte und zu einem kraͤftigen aber nichtsſa¬
genden Grunde ausglich. Wenn ſie auch ſtoͤrten,

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[76/0086] Kuͤnſtler. Es gehoͤrt dazu eine durchaus gedie¬ gene faſt wiſſenſchaftliche Bildung, eine ſtrenge, ſichere und feine Zeichnung, welche noch mehr auf dem Studium der menſchlichen Geſtalt, als auf demjenigen der Baͤume und Straͤucher be¬ ruht, mit einem Wort: ein großer Styl, welcher nur in dem Werthe einer ganzen reichen Erfah¬ rung beſtehen kann, um den Glanz gemeiner Na¬ turwahrheit vergeſſen zu laſſen; und mit allem Dieſem iſt man erſt zu einer ewigen Sonderlings¬ ſtellung und Armuth verdammt, und das mit Recht, denn die ganze Art iſt unberechtigt und thoͤricht!« Ich fuͤgte mich dieſen Reden aber nicht, weil ich ihm ſchon abgemerkt hatte, daß das Erfinden und ein tieferer Gehalt nicht ſeine Staͤrke waren; denn ſchon mehr als ein Mal hatte er, meine Anordnungen corrigirend, Lieblingsſtellen in Berg¬ zuͤgen oder Waldgruͤnden, die ich recht bedeutſam glaubte, gar nicht einmal geſehen, indem er ſie mit dem markigen Bleiſtifte ſchonungslos uͤber¬ ſchraffirte und zu einem kraͤftigen aber nichtsſa¬ genden Grunde ausglich. Wenn ſie auch ſtoͤrten,

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/86>, abgerufen am 23.11.2024.