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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854.

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Landschaftmalerei, theils um durch sie nach und
nach das Terrain von ganz Europa auf die ge¬
naueste Weise kennen zu lernen, theils um, wie
ich selbst für nöthig fand, das Geheimniß meiner
Person zu verhüllen. Die diplomatische Welt
hatte diese Maske acceptirt und nahm mich unter
derselben bei sich auf. Wenn von meinen Ar¬
beiten gesprochen wurde, so war dies nur eine
symbolische Blumensprache, die jeder Eingeweihte
verstand. Ich glaubte mich auf dem besten
Wege, zu meiner offenen und freien Thatkraft zu
gelangen, als ich einen hochgestellten Mann un¬
versehens gegen mich einnahm; es war der
. . . 'sche Gesandte, welcher zum Zeitvertreibe
Kunstnotizen in ein auswärtiges weitverbreitetes
Blatt schrieb und in einer solchen auch meiner er¬
wähnte, dessen geniale Aquarellen in römischen Krei¬
sen ein günstiges Aufsehen für den "bescheidenen"
jungen Mann erregten. Er legte ein Hauptge¬
wicht auf meine vermeintliche Bescheidenheit, ob¬
gleich der Esel gar nicht wissen konnte, ob ich
bescheiden oder nicht bescheiden sei. Die Be¬
sprechung meiner Arbeiten war insofern nicht

Landſchaftmalerei, theils um durch ſie nach und
nach das Terrain von ganz Europa auf die ge¬
naueſte Weiſe kennen zu lernen, theils um, wie
ich ſelbſt fuͤr noͤthig fand, das Geheimniß meiner
Perſon zu verhuͤllen. Die diplomatiſche Welt
hatte dieſe Maske acceptirt und nahm mich unter
derſelben bei ſich auf. Wenn von meinen Ar¬
beiten geſprochen wurde, ſo war dies nur eine
ſymboliſche Blumenſprache, die jeder Eingeweihte
verſtand. Ich glaubte mich auf dem beſten
Wege, zu meiner offenen und freien Thatkraft zu
gelangen, als ich einen hochgeſtellten Mann un¬
verſehens gegen mich einnahm; es war der
. . . 'ſche Geſandte, welcher zum Zeitvertreibe
Kunſtnotizen in ein auswaͤrtiges weitverbreitetes
Blatt ſchrieb und in einer ſolchen auch meiner er¬
waͤhnte, deſſen geniale Aquarellen in roͤmiſchen Krei¬
ſen ein guͤnſtiges Aufſehen fuͤr den »beſcheidenen«
jungen Mann erregten. Er legte ein Hauptge¬
wicht auf meine vermeintliche Beſcheidenheit, ob¬
gleich der Eſel gar nicht wiſſen konnte, ob ich
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ſprechung meiner Arbeiten war inſofern nicht

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[85/0095] Landſchaftmalerei, theils um durch ſie nach und nach das Terrain von ganz Europa auf die ge¬ naueſte Weiſe kennen zu lernen, theils um, wie ich ſelbſt fuͤr noͤthig fand, das Geheimniß meiner Perſon zu verhuͤllen. Die diplomatiſche Welt hatte dieſe Maske acceptirt und nahm mich unter derſelben bei ſich auf. Wenn von meinen Ar¬ beiten geſprochen wurde, ſo war dies nur eine ſymboliſche Blumenſprache, die jeder Eingeweihte verſtand. Ich glaubte mich auf dem beſten Wege, zu meiner offenen und freien Thatkraft zu gelangen, als ich einen hochgeſtellten Mann un¬ verſehens gegen mich einnahm; es war der . . . 'ſche Geſandte, welcher zum Zeitvertreibe Kunſtnotizen in ein auswaͤrtiges weitverbreitetes Blatt ſchrieb und in einer ſolchen auch meiner er¬ waͤhnte, deſſen geniale Aquarellen in roͤmiſchen Krei¬ ſen ein guͤnſtiges Aufſehen fuͤr den »beſcheidenen« jungen Mann erregten. Er legte ein Hauptge¬ wicht auf meine vermeintliche Beſcheidenheit, ob¬ gleich der Eſel gar nicht wiſſen konnte, ob ich beſcheiden oder nicht beſcheiden ſei. Die Be¬ ſprechung meiner Arbeiten war inſofern nicht

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 3. Braunschweig, 1854, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich03_1854/95>, abgerufen am 18.05.2024.