die heldenmüthigsten Rächer bringen mit ihrem Siege höchstens eine große Tragödie zu Stande; es handelt sich aber eben in der Geschichte und Politik um das, was die kurzathmigen Helden und Rhetoren nie einsehen: nicht um ein Trauer¬ spiel, sondern um ein gutes Ziel und Ende, wo die geläuterte unbedingte Einsicht Alle versöhnt, um ein großes heiteres Lustspiel, wo Niemand mehr blutet und Niemand weint. Langsam aber sicher geht die Welt diesem Ziele entgegen.
Mit Einem Worte, Heinrich erlangte die gute und nützliche Erkenntniß: Alles, was wir an unseren Gegnern verwerflich und tadelnswerth fin¬ den, das müssen wir selber vermeiden und nur das an sich Gute und Rechte thun, nicht allein aus Gutmüthigkeit und Neigung, sondern recht aus Zweckmäßigkeit und energischem geschichtlichen Bewußtsein.
Wie er nun dazu noch sah, daß jede ge¬ schichtliche Erscheinung genau die Dauer hat, welche ihre Gründlichkeit und lebendige Inner¬ lichkeit verdient und der Art ihres Entste¬ hens entspricht, wie die Dauer jedes Erfolges
die heldenmuͤthigſten Raͤcher bringen mit ihrem Siege hoͤchſtens eine große Tragoͤdie zu Stande; es handelt ſich aber eben in der Geſchichte und Politik um das, was die kurzathmigen Helden und Rhetoren nie einſehen: nicht um ein Trauer¬ ſpiel, ſondern um ein gutes Ziel und Ende, wo die gelaͤuterte unbedingte Einſicht Alle verſoͤhnt, um ein großes heiteres Luſtſpiel, wo Niemand mehr blutet und Niemand weint. Langſam aber ſicher geht die Welt dieſem Ziele entgegen.
Mit Einem Worte, Heinrich erlangte die gute und nuͤtzliche Erkenntniß: Alles, was wir an unſeren Gegnern verwerflich und tadelnswerth fin¬ den, das muͤſſen wir ſelber vermeiden und nur das an ſich Gute und Rechte thun, nicht allein aus Gutmuͤthigkeit und Neigung, ſondern recht aus Zweckmaͤßigkeit und energiſchem geſchichtlichen Bewußtſein.
Wie er nun dazu noch ſah, daß jede ge¬ ſchichtliche Erſcheinung genau die Dauer hat, welche ihre Gruͤndlichkeit und lebendige Inner¬ lichkeit verdient und der Art ihres Entſte¬ hens entſpricht, wie die Dauer jedes Erfolges
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die heldenmuͤthigſten Raͤcher bringen mit ihrem
Siege hoͤchſtens eine große Tragoͤdie zu Stande;
es handelt ſich aber eben in der Geſchichte und
Politik um das, was die kurzathmigen Helden
und Rhetoren nie einſehen: nicht um ein Trauer¬
ſpiel, ſondern um ein gutes Ziel und Ende, wo
die gelaͤuterte unbedingte Einſicht Alle verſoͤhnt,
um ein großes heiteres Luſtſpiel, wo Niemand
mehr blutet und Niemand weint. Langſam aber
ſicher geht die Welt dieſem Ziele entgegen.
Mit Einem Worte, Heinrich erlangte die gute
und nuͤtzliche Erkenntniß: Alles, was wir an
unſeren Gegnern verwerflich und tadelnswerth fin¬
den, das muͤſſen wir ſelber vermeiden und nur
das an ſich Gute und Rechte thun, nicht allein
aus Gutmuͤthigkeit und Neigung, ſondern recht
aus Zweckmaͤßigkeit und energiſchem geſchichtlichen
Bewußtſein.
Wie er nun dazu noch ſah, daß jede ge¬
ſchichtliche Erſcheinung genau die Dauer hat,
welche ihre Gruͤndlichkeit und lebendige Inner¬
lichkeit verdient und der Art ihres Entſte¬
hens entſpricht, wie die Dauer jedes Erfolges
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/108>, abgerufen am 28.11.2024.
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