Hier führt ein bloßes Wollen, ein glücklicher Einfall ohne Mühe zu reichlichem Erwerb, dort eine geordnete und nachhaltige Mühe, welche mehr der wirklichen Arbeit gleicht, aber ohne innere Wahrheit, ohne vernünftigen Zweck, ohne Idee. Hier heißt Arbeit, lohnt sich und wird zur Tu¬ gend, was dort Nutzlosigkeit, Müßiggang und Laster ist. Hier nützt und hilft etwas theilweise, ohne wahr zu sein; dort ist etwas wahr und na¬ türlich, ohne zu nützen, und immer ist der Erfolg der König, der den Ritterschlag in dieser künstli¬ chen Welt ertheilt. Und alle diese Momente ver¬ mischen und kreuzen sich auf so wunderliche Weise, daß für die gesunde Vernunft das Urtheil schwer wird.
Ein Speculant geräth auf die Idee der Re¬ valenta arabica und bebaut dieselbe mit aller Umsicht und Ausdauer; sie gewinnt eine auffal¬ lende Ausbreitung und gelingt glänzend; Hun¬ derttausende, vielleicht Millionen werden dadurch in Bewegung gesetzt und gewonnen, und doch sagt Jedermann: es ist ein Betrug und ein Schwindel! Und doch muß man die Sache näher
Hier fuͤhrt ein bloßes Wollen, ein gluͤcklicher Einfall ohne Muͤhe zu reichlichem Erwerb, dort eine geordnete und nachhaltige Muͤhe, welche mehr der wirklichen Arbeit gleicht, aber ohne innere Wahrheit, ohne vernuͤnftigen Zweck, ohne Idee. Hier heißt Arbeit, lohnt ſich und wird zur Tu¬ gend, was dort Nutzloſigkeit, Muͤßiggang und Laſter iſt. Hier nuͤtzt und hilft etwas theilweiſe, ohne wahr zu ſein; dort iſt etwas wahr und na¬ tuͤrlich, ohne zu nuͤtzen, und immer iſt der Erfolg der Koͤnig, der den Ritterſchlag in dieſer kuͤnſtli¬ chen Welt ertheilt. Und alle dieſe Momente ver¬ miſchen und kreuzen ſich auf ſo wunderliche Weiſe, daß fuͤr die geſunde Vernunft das Urtheil ſchwer wird.
Ein Speculant geraͤth auf die Idee der Re¬ valenta arabica und bebaut dieſelbe mit aller Umſicht und Ausdauer; ſie gewinnt eine auffal¬ lende Ausbreitung und gelingt glaͤnzend; Hun¬ derttauſende, vielleicht Millionen werden dadurch in Bewegung geſetzt und gewonnen, und doch ſagt Jedermann: es iſt ein Betrug und ein Schwindel! Und doch muß man die Sache naͤher
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0125"n="115"/><p>Hier fuͤhrt ein bloßes Wollen, ein gluͤcklicher<lb/>
Einfall ohne Muͤhe zu reichlichem Erwerb, dort<lb/>
eine geordnete und nachhaltige Muͤhe, welche mehr<lb/>
der wirklichen Arbeit gleicht, aber ohne innere<lb/>
Wahrheit, ohne vernuͤnftigen Zweck, ohne Idee.<lb/>
Hier heißt Arbeit, lohnt ſich und wird zur Tu¬<lb/>
gend, was dort Nutzloſigkeit, Muͤßiggang und<lb/>
Laſter iſt. Hier nuͤtzt und hilft etwas theilweiſe,<lb/>
ohne wahr zu ſein; dort iſt etwas wahr und na¬<lb/>
tuͤrlich, ohne zu nuͤtzen, und immer iſt der Erfolg<lb/>
der Koͤnig, der den Ritterſchlag in dieſer kuͤnſtli¬<lb/>
chen Welt ertheilt. Und alle dieſe Momente ver¬<lb/>
miſchen und kreuzen ſich auf ſo wunderliche Weiſe,<lb/>
daß fuͤr die geſunde Vernunft das Urtheil ſchwer<lb/>
wird.</p><lb/><p>Ein Speculant geraͤth auf die Idee der Re¬<lb/>
valenta arabica und bebaut dieſelbe mit aller<lb/>
Umſicht und Ausdauer; ſie gewinnt eine auffal¬<lb/>
lende Ausbreitung und gelingt glaͤnzend; Hun¬<lb/>
derttauſende, vielleicht Millionen werden dadurch<lb/>
in Bewegung geſetzt und gewonnen, und doch<lb/>ſagt Jedermann: es iſt ein Betrug und ein<lb/>
Schwindel! Und doch muß man die Sache naͤher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[115/0125]
Hier fuͤhrt ein bloßes Wollen, ein gluͤcklicher
Einfall ohne Muͤhe zu reichlichem Erwerb, dort
eine geordnete und nachhaltige Muͤhe, welche mehr
der wirklichen Arbeit gleicht, aber ohne innere
Wahrheit, ohne vernuͤnftigen Zweck, ohne Idee.
Hier heißt Arbeit, lohnt ſich und wird zur Tu¬
gend, was dort Nutzloſigkeit, Muͤßiggang und
Laſter iſt. Hier nuͤtzt und hilft etwas theilweiſe,
ohne wahr zu ſein; dort iſt etwas wahr und na¬
tuͤrlich, ohne zu nuͤtzen, und immer iſt der Erfolg
der Koͤnig, der den Ritterſchlag in dieſer kuͤnſtli¬
chen Welt ertheilt. Und alle dieſe Momente ver¬
miſchen und kreuzen ſich auf ſo wunderliche Weiſe,
daß fuͤr die geſunde Vernunft das Urtheil ſchwer
wird.
Ein Speculant geraͤth auf die Idee der Re¬
valenta arabica und bebaut dieſelbe mit aller
Umſicht und Ausdauer; ſie gewinnt eine auffal¬
lende Ausbreitung und gelingt glaͤnzend; Hun¬
derttauſende, vielleicht Millionen werden dadurch
in Bewegung geſetzt und gewonnen, und doch
ſagt Jedermann: es iſt ein Betrug und ein
Schwindel! Und doch muß man die Sache naͤher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/125>, abgerufen am 29.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.