solches Doppelleben, und wenn diese Entsagung, die Spaltung des Wesens eines Menschen allge¬ mein gültig sein sollte, so würde sie die Welt mit Schmerz und Elend erfüllen. So fest und allgemein wie das Naturgesetz selber sollen wir unser Dasein durch das nähren, was wir sind und bedeuten, und das mit Ehren sein, was uns nährt. Nur dadurch sind wir ganz, bewahren uns vor Einseitigkeit und Ueberspanntheit und leben mit der Welt im Frieden, so wie sie mit uns, indem wir sie sowohl bedürfen mit ihrer ganzen Art, mit ihrem Genuß und ihrer Müh', als sie unser bedarf zu ihrer Vollständigkeit, und alles das, ohne daß wir einen Augenblick aus unserer wahren Bestimmung und Eigenschaft herausgehen.
Wenn nun schon unter den hervorragenden Existenzen jenes künstlichen Ernährungsverkehres ein solches Durcheinander von Geltung, Pflicht, Ehre und Zweckmäßigkeit herrscht, so daß diese in jedem Augenblicke und an jeder Stelle einen anderen Maßstab und eine andere Anerkennung verlangen, eine andere Energie und eine andere Geschicklichkeit, wie schwierig wird diese Verwicke¬
ſolches Doppelleben, und wenn dieſe Entſagung, die Spaltung des Weſens eines Menſchen allge¬ mein guͤltig ſein ſollte, ſo wuͤrde ſie die Welt mit Schmerz und Elend erfuͤllen. So feſt und allgemein wie das Naturgeſetz ſelber ſollen wir unſer Daſein durch das naͤhren, was wir ſind und bedeuten, und das mit Ehren ſein, was uns naͤhrt. Nur dadurch ſind wir ganz, bewahren uns vor Einſeitigkeit und Ueberſpanntheit und leben mit der Welt im Frieden, ſo wie ſie mit uns, indem wir ſie ſowohl beduͤrfen mit ihrer ganzen Art, mit ihrem Genuß und ihrer Muͤh', als ſie unſer bedarf zu ihrer Vollſtaͤndigkeit, und alles das, ohne daß wir einen Augenblick aus unſerer wahren Beſtimmung und Eigenſchaft herausgehen.
Wenn nun ſchon unter den hervorragenden Exiſtenzen jenes kuͤnſtlichen Ernaͤhrungsverkehres ein ſolches Durcheinander von Geltung, Pflicht, Ehre und Zweckmaͤßigkeit herrſcht, ſo daß dieſe in jedem Augenblicke und an jeder Stelle einen anderen Maßſtab und eine andere Anerkennung verlangen, eine andere Energie und eine andere Geſchicklichkeit, wie ſchwierig wird dieſe Verwicke¬
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ſolches Doppelleben, und wenn dieſe Entſagung,
die Spaltung des Weſens eines Menſchen allge¬
mein guͤltig ſein ſollte, ſo wuͤrde ſie die Welt
mit Schmerz und Elend erfuͤllen. So feſt und
allgemein wie das Naturgeſetz ſelber ſollen wir
unſer Daſein durch das naͤhren, was wir ſind
und bedeuten, und das mit Ehren ſein, was uns
naͤhrt. Nur dadurch ſind wir ganz, bewahren uns
vor Einſeitigkeit und Ueberſpanntheit und leben
mit der Welt im Frieden, ſo wie ſie mit uns,
indem wir ſie ſowohl beduͤrfen mit ihrer ganzen
Art, mit ihrem Genuß und ihrer Muͤh', als ſie
unſer bedarf zu ihrer Vollſtaͤndigkeit, und alles
das, ohne daß wir einen Augenblick aus unſerer
wahren Beſtimmung und Eigenſchaft herausgehen.
Wenn nun ſchon unter den hervorragenden
Exiſtenzen jenes kuͤnſtlichen Ernaͤhrungsverkehres
ein ſolches Durcheinander von Geltung, Pflicht,
Ehre und Zweckmaͤßigkeit herrſcht, ſo daß dieſe
in jedem Augenblicke und an jeder Stelle einen
anderen Maßſtab und eine andere Anerkennung
verlangen, eine andere Energie und eine andere
Geſchicklichkeit, wie ſchwierig wird dieſe Verwicke¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/132>, abgerufen am 26.09.2024.
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