eines von Beidem der Fall wäre, so würde es gleichgültig sein, ob Du es gerade noch in Schuld¬ sachen thätest, da Du es in allen anderen Din¬ gen doch auch thun und ein unglückseliger Patron mit oder ohne Schulden sein würdest. Wenn Du aus alledem unbescholten und als ein Freund Deiner Freunde hervorgehst, so bist Du mein Mann! Du wirst die Abhängigkeit unseres Daseins menschlich fühlen gelernt haben und das Gut der erkämpften Unabhängigkeit auf eine edlere Weise zu brauchen wissen, als der, welcher nichts geben und nichts schuldig sein will."
Idealisirt ist das wahre Wesen des ehrlichen Schuldenmachens im Eid, welcher den Juden eine Kiste voll Sand versetzt und sagt: Es ist Silber darin! und dann erst auszieht, um auf gut Glück mit dem Schwerte in der Hand seine Lüge wahr zu machen! Welche Verdrießlichkeiten, wenn ein Neugieriger vor der Zeit die Kiste er¬ brochen und untersucht hätte! Und doch wäre es derselbe Eid gewesen, dessen Leiche noch das Schwert ein Bischen aus der Scheide zog, als sie ein Jude am Bart zupfen wollte!
eines von Beidem der Fall waͤre, ſo wuͤrde es gleichguͤltig ſein, ob Du es gerade noch in Schuld¬ ſachen thaͤteſt, da Du es in allen anderen Din¬ gen doch auch thun und ein ungluͤckſeliger Patron mit oder ohne Schulden ſein wuͤrdeſt. Wenn Du aus alledem unbeſcholten und als ein Freund Deiner Freunde hervorgehſt, ſo biſt Du mein Mann! Du wirſt die Abhaͤngigkeit unſeres Daſeins menſchlich fuͤhlen gelernt haben und das Gut der erkaͤmpften Unabhaͤngigkeit auf eine edlere Weiſe zu brauchen wiſſen, als der, welcher nichts geben und nichts ſchuldig ſein will.«
Idealiſirt iſt das wahre Weſen des ehrlichen Schuldenmachens im Eid, welcher den Juden eine Kiſte voll Sand verſetzt und ſagt: Es iſt Silber darin! und dann erſt auszieht, um auf gut Gluͤck mit dem Schwerte in der Hand ſeine Luͤge wahr zu machen! Welche Verdrießlichkeiten, wenn ein Neugieriger vor der Zeit die Kiſte er¬ brochen und unterſucht haͤtte! Und doch waͤre es derſelbe Eid geweſen, deſſen Leiche noch das Schwert ein Bischen aus der Scheide zog, als ſie ein Jude am Bart zupfen wollte!
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eines von Beidem der Fall waͤre, ſo wuͤrde es
gleichguͤltig ſein, ob Du es gerade noch in Schuld¬
ſachen thaͤteſt, da Du es in allen anderen Din¬
gen doch auch thun und ein ungluͤckſeliger Patron
mit oder ohne Schulden ſein wuͤrdeſt. Wenn
Du aus alledem unbeſcholten und als ein Freund
Deiner Freunde hervorgehſt, ſo biſt Du mein
Mann! Du wirſt die Abhaͤngigkeit unſeres
Daſeins menſchlich fuͤhlen gelernt haben und das
Gut der erkaͤmpften Unabhaͤngigkeit auf eine edlere
Weiſe zu brauchen wiſſen, als der, welcher nichts
geben und nichts ſchuldig ſein will.«
Idealiſirt iſt das wahre Weſen des ehrlichen
Schuldenmachens im Eid, welcher den Juden
eine Kiſte voll Sand verſetzt und ſagt: Es iſt
Silber darin! und dann erſt auszieht, um auf
gut Gluͤck mit dem Schwerte in der Hand ſeine
Luͤge wahr zu machen! Welche Verdrießlichkeiten,
wenn ein Neugieriger vor der Zeit die Kiſte er¬
brochen und unterſucht haͤtte! Und doch waͤre
es derſelbe Eid geweſen, deſſen Leiche noch das
Schwert ein Bischen aus der Scheide zog, als
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/148>, abgerufen am 04.12.2024.
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