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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Sechstes Kapitel.

Als er solchergestalt diese Dinge betrachtete,
nicht eben denkend, daß sie damit noch lange nicht
zu Ende seien, und einen kräftigen Zug aus seinem
Kruge that, kamen einige seiner Bekannten heran
und überhäuften ihn mit Fragen, warum er sich
so lange nicht sehen lassen und wo er gewesen
sei. Heinrich that, als ob nichts geschehen wäre,
und froh, wieder unter frohen Menschen zu sein,
zechte und scherzte er mit ihnen, während in sei¬
nem Gemüthe dieser erste kräftige Stoß des stillen
aber unerbittlichen Lebens langsam verschmerzte.
Denn er fühlte erst jetzt, als mitten in Scherz
und Gelächter die Brust sich noch heftig bewegte
und er eine nur allmälig sich legende Aufregung
empfand, wie so vielsagend und schonungslos

Sechstes Kapitel.

Als er ſolchergeſtalt dieſe Dinge betrachtete,
nicht eben denkend, daß ſie damit noch lange nicht
zu Ende ſeien, und einen kraͤftigen Zug aus ſeinem
Kruge that, kamen einige ſeiner Bekannten heran
und uͤberhaͤuften ihn mit Fragen, warum er ſich
ſo lange nicht ſehen laſſen und wo er geweſen
ſei. Heinrich that, als ob nichts geſchehen waͤre,
und froh, wieder unter frohen Menſchen zu ſein,
zechte und ſcherzte er mit ihnen, waͤhrend in ſei¬
nem Gemuͤthe dieſer erſte kraͤftige Stoß des ſtillen
aber unerbittlichen Lebens langſam verſchmerzte.
Denn er fuͤhlte erſt jetzt, als mitten in Scherz
und Gelaͤchter die Bruſt ſich noch heftig bewegte
und er eine nur allmaͤlig ſich legende Aufregung
empfand, wie ſo vielſagend und ſchonungslos

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[0175] Sechstes Kapitel. Als er ſolchergeſtalt dieſe Dinge betrachtete, nicht eben denkend, daß ſie damit noch lange nicht zu Ende ſeien, und einen kraͤftigen Zug aus ſeinem Kruge that, kamen einige ſeiner Bekannten heran und uͤberhaͤuften ihn mit Fragen, warum er ſich ſo lange nicht ſehen laſſen und wo er geweſen ſei. Heinrich that, als ob nichts geſchehen waͤre, und froh, wieder unter frohen Menſchen zu ſein, zechte und ſcherzte er mit ihnen, waͤhrend in ſei¬ nem Gemuͤthe dieſer erſte kraͤftige Stoß des ſtillen aber unerbittlichen Lebens langſam verſchmerzte. Denn er fuͤhlte erſt jetzt, als mitten in Scherz und Gelaͤchter die Bruſt ſich noch heftig bewegte und er eine nur allmaͤlig ſich legende Aufregung empfand, wie ſo vielſagend und ſchonungslos

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/175>, abgerufen am 28.11.2024.