süchtigen Höllenzwang von heißen Gebeten an eben diesen sich mäuschenstill verhaltenden Gott.
Als er eines Tages niedergeschlagen und in schlechten Zuständen auf der Straße ging und sich von keinem Menschen beachtet glaubte, kam ein stattlicher junger Bürgersmann mit einem blühenden Weib am Arme auf ihn zu und redete ihn in seiner Heimathsprache an, welche ihm wie ein Laut aus besserer Welt klang in dem Rau¬ schen und Dröhnen der fremden Stadt. Der Landsmann zeigte sich erfreut, ihn endlich gefun¬ den zu haben, und verkündete ihm Grüße von seiner Mutter. Während in Heinrich süße Freude und trauriger Schreck sich mischten und bekämpf¬ ten und er roth und blaß wurde, erzählte der Fremde, wer er sei, und wunderte sich, von Hein¬ rich nicht gekannt zu sein. Es war aber Nie¬ mand anders, als ein nächster Nachbar des väter¬ lichen Hauses und jener junge Handwerker, wel¬ cher mit Heinrich am gleichen Tage in die Fremde gezogen, aber zu Fuß und ein schweres Felleisen tragend, von seiner armen Mutter begleitet, in¬ dessen jener so hoffnungsvoll auf dem Postwagen
IV. 14
ſuͤchtigen Hoͤllenzwang von heißen Gebeten an eben dieſen ſich maͤuschenſtill verhaltenden Gott.
Als er eines Tages niedergeſchlagen und in ſchlechten Zuſtaͤnden auf der Straße ging und ſich von keinem Menſchen beachtet glaubte, kam ein ſtattlicher junger Buͤrgersmann mit einem bluͤhenden Weib am Arme auf ihn zu und redete ihn in ſeiner Heimathſprache an, welche ihm wie ein Laut aus beſſerer Welt klang in dem Rau¬ ſchen und Droͤhnen der fremden Stadt. Der Landsmann zeigte ſich erfreut, ihn endlich gefun¬ den zu haben, und verkuͤndete ihm Gruͤße von ſeiner Mutter. Waͤhrend in Heinrich ſuͤße Freude und trauriger Schreck ſich miſchten und bekaͤmpf¬ ten und er roth und blaß wurde, erzaͤhlte der Fremde, wer er ſei, und wunderte ſich, von Hein¬ rich nicht gekannt zu ſein. Es war aber Nie¬ mand anders, als ein naͤchſter Nachbar des vaͤter¬ lichen Hauſes und jener junge Handwerker, wel¬ cher mit Heinrich am gleichen Tage in die Fremde gezogen, aber zu Fuß und ein ſchweres Felleiſen tragend, von ſeiner armen Mutter begleitet, in¬ deſſen jener ſo hoffnungsvoll auf dem Poſtwagen
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ſuͤchtigen Hoͤllenzwang von heißen Gebeten an
eben dieſen ſich maͤuschenſtill verhaltenden Gott.
Als er eines Tages niedergeſchlagen und in
ſchlechten Zuſtaͤnden auf der Straße ging und
ſich von keinem Menſchen beachtet glaubte, kam
ein ſtattlicher junger Buͤrgersmann mit einem
bluͤhenden Weib am Arme auf ihn zu und redete
ihn in ſeiner Heimathſprache an, welche ihm wie
ein Laut aus beſſerer Welt klang in dem Rau¬
ſchen und Droͤhnen der fremden Stadt. Der
Landsmann zeigte ſich erfreut, ihn endlich gefun¬
den zu haben, und verkuͤndete ihm Gruͤße von
ſeiner Mutter. Waͤhrend in Heinrich ſuͤße Freude
und trauriger Schreck ſich miſchten und bekaͤmpf¬
ten und er roth und blaß wurde, erzaͤhlte der
Fremde, wer er ſei, und wunderte ſich, von Hein¬
rich nicht gekannt zu ſein. Es war aber Nie¬
mand anders, als ein naͤchſter Nachbar des vaͤter¬
lichen Hauſes und jener junge Handwerker, wel¬
cher mit Heinrich am gleichen Tage in die Fremde
gezogen, aber zu Fuß und ein ſchweres Felleiſen
tragend, von ſeiner armen Mutter begleitet, in¬
deſſen jener ſo hoffnungsvoll auf dem Poſtwagen
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/219>, abgerufen am 21.11.2024.
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