Nation sein, folglich sind diese Leute hier die Nation!"
"So! und doch sagtest Du soeben, die Nation und die Brücke zusammen machten eine Identität aus!" -- erwiederte Heinrich.
"Das sagt' ich auch und bleibe dabei!" ver¬ setzte das Pferd.
"Nun, also?" fuhr Heinrich fort.
"Wisse," antwortete der Gaul bedächtig, indem er sich auf allen Vieren ausspreizte und tiefsinnig in den Boden hineinsah, "wisse, wer diese hei¬ klige Frage zu beantworten, den Widerspruch zu lösen versteht, ohne den scheinbaren Gegensatz aufzuheben, der ist ein Meister hier zu Lande und arbeitet an der Identität selber mit. Wenn ich die richtige Antwort, die mir wohl so im Maule herumläuft, rund und nett zu formuliren verstände, so wäre ich nicht ein Pferd, sondern längst hier an die Wand gemalt. Uebrigens erinnere Dich, daß ich nur ein von Dir geträum¬ tes Pferd bin und also unser ganzes Gespräch eine subjective Ausgeburt und Grübelei Deines eigenen Gehirnes ist, die Du Aberwitziger mit
Nation ſein, folglich ſind dieſe Leute hier die Nation!«
»So! und doch ſagteſt Du ſoeben, die Nation und die Bruͤcke zuſammen machten eine Identitaͤt aus!« — erwiederte Heinrich.
»Das ſagt' ich auch und bleibe dabei!« ver¬ ſetzte das Pferd.
»Nun, alſo?« fuhr Heinrich fort.
»Wiſſe,« antwortete der Gaul bedaͤchtig, indem er ſich auf allen Vieren ausſpreizte und tiefſinnig in den Boden hineinſah, »wiſſe, wer dieſe hei¬ klige Frage zu beantworten, den Widerſpruch zu loͤſen verſteht, ohne den ſcheinbaren Gegenſatz aufzuheben, der iſt ein Meiſter hier zu Lande und arbeitet an der Identitaͤt ſelber mit. Wenn ich die richtige Antwort, die mir wohl ſo im Maule herumlaͤuft, rund und nett zu formuliren verſtaͤnde, ſo waͤre ich nicht ein Pferd, ſondern laͤngſt hier an die Wand gemalt. Uebrigens erinnere Dich, daß ich nur ein von Dir getraͤum¬ tes Pferd bin und alſo unſer ganzes Geſpraͤch eine ſubjective Ausgeburt und Gruͤbelei Deines eigenen Gehirnes iſt, die Du Aberwitziger mit
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Nation ſein, folglich ſind dieſe Leute hier die
Nation!«
»So! und doch ſagteſt Du ſoeben, die Nation
und die Bruͤcke zuſammen machten eine Identitaͤt
aus!« — erwiederte Heinrich.
»Das ſagt' ich auch und bleibe dabei!« ver¬
ſetzte das Pferd.
»Nun, alſo?« fuhr Heinrich fort.
»Wiſſe,« antwortete der Gaul bedaͤchtig, indem
er ſich auf allen Vieren ausſpreizte und tiefſinnig
in den Boden hineinſah, »wiſſe, wer dieſe hei¬
klige Frage zu beantworten, den Widerſpruch zu
loͤſen verſteht, ohne den ſcheinbaren Gegenſatz
aufzuheben, der iſt ein Meiſter hier zu Lande
und arbeitet an der Identitaͤt ſelber mit. Wenn
ich die richtige Antwort, die mir wohl ſo im
Maule herumlaͤuft, rund und nett zu formuliren
verſtaͤnde, ſo waͤre ich nicht ein Pferd, ſondern
laͤngſt hier an die Wand gemalt. Uebrigens
erinnere Dich, daß ich nur ein von Dir getraͤum¬
tes Pferd bin und alſo unſer ganzes Geſpraͤch
eine ſubjective Ausgeburt und Gruͤbelei Deines
eigenen Gehirnes iſt, die Du Aberwitziger mit
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/254>, abgerufen am 21.11.2024.
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