Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf einem gold'nen Feuer
Von Zimmet süß und ächt
Will zierlich ich verbrennen
Das schnöde Dorngeflecht.
Das mir um's Haupt gelegen
So viele Tage lang,
Und lachend übertön' ich
Der Bettlerkrone Knistersang!

Als er aber eines Abends nach seiner Woh¬
nung zurückkehrte, sich auf die Dunkelheit und
Vergessenheit der Nacht freuend, fand er die
Wirthsleute darin, welche die ärmliche Stube eifrig
aufräumten und zurecht machten. Das Bett
war schon weggenommen, die leeren Schränke
standen spöttisch offen, sein Koffer war erbrochen
und durchsucht, und dessen einziger Inhalt, Hein¬
rich's Jugendgeschichte, lag zerblättert und zer¬
knittert auf die Dielen geworfen. Dir Wirths¬
leute kündigten ihm mit harten Worten an, daß
er hier nicht länger wohnen könne, sondern noch
heute das Haus verlassen solle. Schweigend
nahm er das Buch auf, wickelte es in ein Stück¬
chen altes Wachstuch, das auch noch in dem Kof¬

Auf einem gold'nen Feuer
Von Zimmet ſuͤß und aͤcht
Will zierlich ich verbrennen
Das ſchnoͤde Dorngeflecht.
Das mir um's Haupt gelegen
So viele Tage lang,
Und lachend uͤbertoͤn' ich
Der Bettlerkrone Kniſterſang!

Als er aber eines Abends nach ſeiner Woh¬
nung zuruͤckkehrte, ſich auf die Dunkelheit und
Vergeſſenheit der Nacht freuend, fand er die
Wirthsleute darin, welche die aͤrmliche Stube eifrig
aufraͤumten und zurecht machten. Das Bett
war ſchon weggenommen, die leeren Schraͤnke
ſtanden ſpoͤttiſch offen, ſein Koffer war erbrochen
und durchſucht, und deſſen einziger Inhalt, Hein¬
rich's Jugendgeſchichte, lag zerblaͤttert und zer¬
knittert auf die Dielen geworfen. Dir Wirths¬
leute kuͤndigten ihm mit harten Worten an, daß
er hier nicht laͤnger wohnen koͤnne, ſondern noch
heute das Haus verlaſſen ſolle. Schweigend
nahm er das Buch auf, wickelte es in ein Stuͤck¬
chen altes Wachstuch, das auch noch in dem Kof¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0278" n="268"/>
          <lg n="3">
            <l>Auf einem gold'nen Feuer</l><lb/>
            <l>Von Zimmet &#x017F;u&#x0364;ß und a&#x0364;cht</l><lb/>
            <l>Will zierlich ich verbrennen</l><lb/>
            <l>Das &#x017F;chno&#x0364;de Dorngeflecht.</l><lb/>
          </lg>
          <lg n="4">
            <l>Das mir um's Haupt gelegen</l><lb/>
            <l>So viele Tage lang,</l><lb/>
            <l>Und lachend u&#x0364;berto&#x0364;n' ich</l><lb/>
            <l>Der Bettlerkrone Kni&#x017F;ter&#x017F;ang!</l><lb/>
          </lg>
        </lg>
        <p>Als er aber eines Abends nach &#x017F;einer Woh¬<lb/>
nung zuru&#x0364;ckkehrte, &#x017F;ich auf die Dunkelheit und<lb/>
Verge&#x017F;&#x017F;enheit der Nacht freuend, fand er die<lb/>
Wirthsleute darin, welche die a&#x0364;rmliche Stube eifrig<lb/>
aufra&#x0364;umten und zurecht machten. Das Bett<lb/>
war &#x017F;chon weggenommen, die leeren Schra&#x0364;nke<lb/>
&#x017F;tanden &#x017F;po&#x0364;tti&#x017F;ch offen, &#x017F;ein Koffer war erbrochen<lb/>
und durch&#x017F;ucht, und de&#x017F;&#x017F;en einziger Inhalt, Hein¬<lb/>
rich's Jugendge&#x017F;chichte, lag zerbla&#x0364;ttert und zer¬<lb/>
knittert auf die Dielen geworfen. Dir Wirths¬<lb/>
leute ku&#x0364;ndigten ihm mit harten Worten an, daß<lb/>
er hier nicht la&#x0364;nger wohnen ko&#x0364;nne, &#x017F;ondern noch<lb/>
heute das Haus verla&#x017F;&#x017F;en &#x017F;olle. Schweigend<lb/>
nahm er das Buch auf, wickelte es in ein Stu&#x0364;ck¬<lb/>
chen altes Wachstuch, das auch noch in dem Kof¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0278] Auf einem gold'nen Feuer Von Zimmet ſuͤß und aͤcht Will zierlich ich verbrennen Das ſchnoͤde Dorngeflecht. Das mir um's Haupt gelegen So viele Tage lang, Und lachend uͤbertoͤn' ich Der Bettlerkrone Kniſterſang! Als er aber eines Abends nach ſeiner Woh¬ nung zuruͤckkehrte, ſich auf die Dunkelheit und Vergeſſenheit der Nacht freuend, fand er die Wirthsleute darin, welche die aͤrmliche Stube eifrig aufraͤumten und zurecht machten. Das Bett war ſchon weggenommen, die leeren Schraͤnke ſtanden ſpoͤttiſch offen, ſein Koffer war erbrochen und durchſucht, und deſſen einziger Inhalt, Hein¬ rich's Jugendgeſchichte, lag zerblaͤttert und zer¬ knittert auf die Dielen geworfen. Dir Wirths¬ leute kuͤndigten ihm mit harten Worten an, daß er hier nicht laͤnger wohnen koͤnne, ſondern noch heute das Haus verlaſſen ſolle. Schweigend nahm er das Buch auf, wickelte es in ein Stuͤck¬ chen altes Wachstuch, das auch noch in dem Kof¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/278
Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/278>, abgerufen am 22.11.2024.