Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.dentlichen Verlauf nähmen. Dem Kinde war Mit diesen tüchtigen Gedanken stand Heinrich dentlichen Verlauf naͤhmen. Dem Kinde war Mit dieſen tuͤchtigen Gedanken ſtand Heinrich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0300" n="290"/> dentlichen Verlauf naͤhmen. Dem Kinde war<lb/> der Unterſchied zwiſchen gut und boͤſe oder viel¬<lb/> mehr zwiſchen wahrer und falſcher Sachlage nicht<lb/> bewußt und voͤllig gleichguͤltig; die Erwachſenen<lb/> hatten jenen Handel unvernuͤnftig eingeleitet, das<lb/> Kind hatte nichts zu thun, als da ihm die wirk¬<lb/> liche Gerechtigkeit verborgen war, eine poetiſche<lb/> Gerechtigkeit herzuſtellen und dazu erſt einen or¬<lb/> dentlichen faktiſchen Stoff zu ſchaffen. Auch er¬<lb/> innerte er ſich noch heute, daß er damals ohne<lb/> die mindeſten Gewiſſensbiſſe und mit dem unbe¬<lb/> fangenſten Intereſſe dem angerichteten Schaden<lb/> zugeſehen. Gedachte er nun noch, wie er um die<lb/> gleiche Zeit ſich Bilder von Wachs gemacht und<lb/> eine tabellariſche Schickſals- und Gerechtigkeits¬<lb/> ordnung uͤber ſie gefuͤhrt, ſo ſchien es ihm jetzt<lb/> beinahe gewiß, daß in ihm mehr als alles Andere<lb/> eigentlich eine Luſt laͤge, im lebendigen Wechſelverkehr<lb/> der Menſchen, auf vertrautem Boden und in feſt¬<lb/> begruͤndeten Sitten das Leben ſelbſt zum Gegen¬<lb/> ſtande des Lebens zu machen.</p><lb/> <p>Mit dieſen tuͤchtigen Gedanken ſtand Heinrich<lb/> auf und ſah, daß er ſich uͤber einem Thale be¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [290/0300]
dentlichen Verlauf naͤhmen. Dem Kinde war
der Unterſchied zwiſchen gut und boͤſe oder viel¬
mehr zwiſchen wahrer und falſcher Sachlage nicht
bewußt und voͤllig gleichguͤltig; die Erwachſenen
hatten jenen Handel unvernuͤnftig eingeleitet, das
Kind hatte nichts zu thun, als da ihm die wirk¬
liche Gerechtigkeit verborgen war, eine poetiſche
Gerechtigkeit herzuſtellen und dazu erſt einen or¬
dentlichen faktiſchen Stoff zu ſchaffen. Auch er¬
innerte er ſich noch heute, daß er damals ohne
die mindeſten Gewiſſensbiſſe und mit dem unbe¬
fangenſten Intereſſe dem angerichteten Schaden
zugeſehen. Gedachte er nun noch, wie er um die
gleiche Zeit ſich Bilder von Wachs gemacht und
eine tabellariſche Schickſals- und Gerechtigkeits¬
ordnung uͤber ſie gefuͤhrt, ſo ſchien es ihm jetzt
beinahe gewiß, daß in ihm mehr als alles Andere
eigentlich eine Luſt laͤge, im lebendigen Wechſelverkehr
der Menſchen, auf vertrautem Boden und in feſt¬
begruͤndeten Sitten das Leben ſelbſt zum Gegen¬
ſtande des Lebens zu machen.
Mit dieſen tuͤchtigen Gedanken ſtand Heinrich
auf und ſah, daß er ſich uͤber einem Thale be¬
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