klebst ja alle die Landkarten krumm auf den Bo¬ gen, daß sie ganz windschief dastehen!"
"Ach so schweig doch," sagte Dorethea wei¬ nerlich, "ich weiß es ja schon! Es sind aber auch gar zu große Dinger, man kann sie ja gar nicht ordentlich übersehen!"
"Was nur daran zu sehen ist?" sagte Apol¬ lönchen, "zu was braucht man sie denn?"
"Ei du Aff! zu was? zum Nutzen und Ver¬ gnügen! Siehst Du denn nicht, wie hübsch dies aussieht, alle diese lustigen Bäume, wie das krib¬ belt und krabbelt von Zweigen und Blättern, und wie die Sonne darauf spielt?"
Apollönchen legte die Arme auf den Tisch, neigte das Näschen gegen das Blatt und sagte: "Wahrhaftig ja, es ist wirklich hübsch und so schön grün! Ist dies hier ein See?"
"Ein See! o du närrisches Wesen!" rief die Andere und lachte mit dem vergnügtesten Muth¬ willen, dies ist ja der blaue Himmel, der über den Bäumen steht! Seit wann waren denn die Bäume unten und das Wasser oben?"
"Geh doch," sagte diese schmollend, "der
klebſt ja alle die Landkarten krumm auf den Bo¬ gen, daß ſie ganz windſchief daſtehen!«
„Ach ſo ſchweig doch,« ſagte Dorethea wei¬ nerlich, »ich weiß es ja ſchon! Es ſind aber auch gar zu große Dinger, man kann ſie ja gar nicht ordentlich uͤberſehen!«
»Was nur daran zu ſehen iſt?« ſagte Apol¬ loͤnchen, »zu was braucht man ſie denn?«
»Ei du Aff! zu was? zum Nutzen und Ver¬ gnuͤgen! Siehſt Du denn nicht, wie huͤbſch dies ausſieht, alle dieſe luſtigen Baͤume, wie das krib¬ belt und krabbelt von Zweigen und Blaͤttern, und wie die Sonne darauf ſpielt?«
Apolloͤnchen legte die Arme auf den Tiſch, neigte das Naͤschen gegen das Blatt und ſagte: »Wahrhaftig ja, es iſt wirklich huͤbſch und ſo ſchoͤn gruͤn! Iſt dies hier ein See?«
»Ein See! o du naͤrriſches Weſen!« rief die Andere und lachte mit dem vergnuͤgteſten Muth¬ willen, dies iſt ja der blaue Himmel, der uͤber den Baͤumen ſteht! Seit wann waren denn die Baͤume unten und das Waſſer oben?«
»Geh doch,« ſagte dieſe ſchmollend, »der
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0324"n="314"/>
klebſt ja alle die Landkarten krumm auf den Bo¬<lb/>
gen, daß ſie ganz windſchief daſtehen!«</p><lb/><p>„Ach ſo ſchweig doch,« ſagte Dorethea wei¬<lb/>
nerlich, »ich weiß es ja ſchon! Es ſind aber auch<lb/>
gar zu große Dinger, man kann ſie ja gar nicht<lb/>
ordentlich uͤberſehen!«</p><lb/><p>»Was nur daran zu ſehen iſt?« ſagte Apol¬<lb/>
loͤnchen, »zu was braucht man ſie denn?«</p><lb/><p>»Ei du Aff! zu was? zum Nutzen und Ver¬<lb/>
gnuͤgen! Siehſt Du denn nicht, wie huͤbſch dies<lb/>
ausſieht, alle dieſe luſtigen Baͤume, wie das krib¬<lb/>
belt und krabbelt von Zweigen und Blaͤttern,<lb/>
und wie die Sonne darauf ſpielt?«</p><lb/><p>Apolloͤnchen legte die Arme auf den Tiſch,<lb/>
neigte das Naͤschen gegen das Blatt und ſagte:<lb/>
»Wahrhaftig ja, es iſt wirklich huͤbſch und ſo<lb/>ſchoͤn gruͤn! Iſt dies hier ein See?«</p><lb/><p>»Ein See! o du naͤrriſches Weſen!« rief die<lb/>
Andere und lachte mit dem vergnuͤgteſten Muth¬<lb/>
willen, dies iſt ja der blaue Himmel, der uͤber<lb/>
den Baͤumen ſteht! Seit wann waren denn die<lb/>
Baͤume unten und das Waſſer oben?«</p><lb/><p>»Geh doch,« ſagte dieſe ſchmollend, »der<lb/></p></div></body></text></TEI>
[314/0324]
klebſt ja alle die Landkarten krumm auf den Bo¬
gen, daß ſie ganz windſchief daſtehen!«
„Ach ſo ſchweig doch,« ſagte Dorethea wei¬
nerlich, »ich weiß es ja ſchon! Es ſind aber auch
gar zu große Dinger, man kann ſie ja gar nicht
ordentlich uͤberſehen!«
»Was nur daran zu ſehen iſt?« ſagte Apol¬
loͤnchen, »zu was braucht man ſie denn?«
»Ei du Aff! zu was? zum Nutzen und Ver¬
gnuͤgen! Siehſt Du denn nicht, wie huͤbſch dies
ausſieht, alle dieſe luſtigen Baͤume, wie das krib¬
belt und krabbelt von Zweigen und Blaͤttern,
und wie die Sonne darauf ſpielt?«
Apolloͤnchen legte die Arme auf den Tiſch,
neigte das Naͤschen gegen das Blatt und ſagte:
»Wahrhaftig ja, es iſt wirklich huͤbſch und ſo
ſchoͤn gruͤn! Iſt dies hier ein See?«
»Ein See! o du naͤrriſches Weſen!« rief die
Andere und lachte mit dem vergnuͤgteſten Muth¬
willen, dies iſt ja der blaue Himmel, der uͤber
den Baͤumen ſteht! Seit wann waren denn die
Baͤume unten und das Waſſer oben?«
»Geh doch,« ſagte dieſe ſchmollend, »der
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/324>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.