ihm erst die Landschaft mit den Bäumen und Schneefirnen bekannt vorkamen und er dann auch seine Jugendarbeit erkannte. Dann sah er in das vom Feuer beglänzte Gesicht hinauf, und auch dieses kam ihm so bekannt vor, und doch wußte er nicht wo er es schon gesehen, denn das, was er zehn Minuten zuvor erlebt, lag seinem ver¬ wirrten Zustande in ein dunkles Vergessen ent¬ rückt. Nun zweifelte er nicht länger, daß er mitten in einem jener Träume sich be¬ finde, die er in jener Stadt geträumt, und daß er wiederum auf jener langen und bezauber¬ ten Heimreise begriffen sei. Er hielt die Erschei¬ nung für ein neckendes verklärtes Bild seiner Jugend, das ihm nur erschienen sei, um wieder zu verschwinden und ihn in tiefer Hoffnungslo¬ sigkeit zu lassen. Seine Gedanken hielt er für jenes sonderbare Bewußtwerden im Traume, er fürchtete zu erwachen und das schöne Bild zu verlieren, und als er wieder auf die sorgsam ge¬ machte, stille und unschuldige Landschaft blickte, entfielen Thränen seinen Augen. Jetzt hielt er sich für erwacht und suchte das Kopfkissen, um
ihm erſt die Landſchaft mit den Baͤumen und Schneefirnen bekannt vorkamen und er dann auch ſeine Jugendarbeit erkannte. Dann ſah er in das vom Feuer beglaͤnzte Geſicht hinauf, und auch dieſes kam ihm ſo bekannt vor, und doch wußte er nicht wo er es ſchon geſehen, denn das, was er zehn Minuten zuvor erlebt, lag ſeinem ver¬ wirrten Zuſtande in ein dunkles Vergeſſen ent¬ ruͤckt. Nun zweifelte er nicht laͤnger, daß er mitten in einem jener Traͤume ſich be¬ finde, die er in jener Stadt getraͤumt, und daß er wiederum auf jener langen und bezauber¬ ten Heimreiſe begriffen ſei. Er hielt die Erſchei¬ nung fuͤr ein neckendes verklaͤrtes Bild ſeiner Jugend, das ihm nur erſchienen ſei, um wieder zu verſchwinden und ihn in tiefer Hoffnungslo¬ ſigkeit zu laſſen. Seine Gedanken hielt er fuͤr jenes ſonderbare Bewußtwerden im Traume, er fuͤrchtete zu erwachen und das ſchoͤne Bild zu verlieren, und als er wieder auf die ſorgſam ge¬ machte, ſtille und unſchuldige Landſchaft blickte, entfielen Thraͤnen ſeinen Augen. Jetzt hielt er ſich fuͤr erwacht und ſuchte das Kopfkiſſen, um
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0327"n="317"/>
ihm erſt die Landſchaft mit den Baͤumen und<lb/>
Schneefirnen bekannt vorkamen und er dann auch<lb/>ſeine Jugendarbeit erkannte. Dann ſah er in das<lb/>
vom Feuer beglaͤnzte Geſicht hinauf, und auch<lb/>
dieſes kam ihm ſo bekannt vor, und doch wußte<lb/>
er nicht wo er es ſchon geſehen, denn das, was<lb/>
er zehn Minuten zuvor erlebt, lag ſeinem ver¬<lb/>
wirrten Zuſtande in ein dunkles Vergeſſen ent¬<lb/>
ruͤckt. Nun zweifelte er nicht laͤnger, daß<lb/>
er mitten in einem jener Traͤume ſich be¬<lb/>
finde, die er in jener Stadt getraͤumt, und<lb/>
daß er wiederum auf jener langen und bezauber¬<lb/>
ten Heimreiſe begriffen ſei. Er hielt die Erſchei¬<lb/>
nung fuͤr ein neckendes verklaͤrtes Bild ſeiner<lb/>
Jugend, das ihm nur erſchienen ſei, um wieder<lb/>
zu verſchwinden und ihn in tiefer Hoffnungslo¬<lb/>ſigkeit zu laſſen. Seine Gedanken hielt er fuͤr<lb/>
jenes ſonderbare Bewußtwerden im Traume, er<lb/>
fuͤrchtete zu erwachen und das ſchoͤne Bild zu<lb/>
verlieren, und als er wieder auf die ſorgſam ge¬<lb/>
machte, ſtille und unſchuldige Landſchaft blickte,<lb/>
entfielen Thraͤnen ſeinen Augen. Jetzt hielt er<lb/>ſich fuͤr erwacht und ſuchte das Kopfkiſſen, um<lb/></p></div></body></text></TEI>
[317/0327]
ihm erſt die Landſchaft mit den Baͤumen und
Schneefirnen bekannt vorkamen und er dann auch
ſeine Jugendarbeit erkannte. Dann ſah er in das
vom Feuer beglaͤnzte Geſicht hinauf, und auch
dieſes kam ihm ſo bekannt vor, und doch wußte
er nicht wo er es ſchon geſehen, denn das, was
er zehn Minuten zuvor erlebt, lag ſeinem ver¬
wirrten Zuſtande in ein dunkles Vergeſſen ent¬
ruͤckt. Nun zweifelte er nicht laͤnger, daß
er mitten in einem jener Traͤume ſich be¬
finde, die er in jener Stadt getraͤumt, und
daß er wiederum auf jener langen und bezauber¬
ten Heimreiſe begriffen ſei. Er hielt die Erſchei¬
nung fuͤr ein neckendes verklaͤrtes Bild ſeiner
Jugend, das ihm nur erſchienen ſei, um wieder
zu verſchwinden und ihn in tiefer Hoffnungslo¬
ſigkeit zu laſſen. Seine Gedanken hielt er fuͤr
jenes ſonderbare Bewußtwerden im Traume, er
fuͤrchtete zu erwachen und das ſchoͤne Bild zu
verlieren, und als er wieder auf die ſorgſam ge¬
machte, ſtille und unſchuldige Landſchaft blickte,
entfielen Thraͤnen ſeinen Augen. Jetzt hielt er
ſich fuͤr erwacht und ſuchte das Kopfkiſſen, um
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/327>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.