und gerührtem Lächeln, "so müssen Sie durchaus geküßt sein zur Besiegelung unseres guten Ein¬ vernehmens!" Er umarmte Heinrich und küßte ihn herzlich, und dieser küßte ihn, sein leises Sträuben aufgebend, herzhaft und seine Augen füllten sich mit salzig heißem Wasser, da er end¬ lich einen solchen älteren Männerfreund gefunden nach langem Irrsal. Denn über Einen rechten Mann scheint die Welt wieder gelungen, recht und hoffnungsvoll zu sein. Schweigend sah er den Grafen an und dieser schwieg auch eine Weile; dann drückte Heinrich die Augen in das Kissen und suchte sie verstohlen zu trocknen, sagte aber dann: "Es geht mir recht närrisch! Als ich ein Schuljunge war, war nichts im Stande, mir Thränen zu entlocken, und ich galt für einen ver¬ stockten Burschen; seit ich groß geworden bin, ist der Teufel alle Augenblick los und höchstens bring' ich es zu einem oder zwei gänzlich trockenen Jahr¬ gängen!"
Der Graf nahm seine Hand und sprach: "Ge¬ dulden Sie sich noch ein paar Jährchen und dann wird es vorbei sein und standhaftes trockenes
und geruͤhrtem Laͤcheln, »ſo muͤſſen Sie durchaus gekuͤßt ſein zur Beſiegelung unſeres guten Ein¬ vernehmens!« Er umarmte Heinrich und kuͤßte ihn herzlich, und dieſer kuͤßte ihn, ſein leiſes Straͤuben aufgebend, herzhaft und ſeine Augen fuͤllten ſich mit ſalzig heißem Waſſer, da er end¬ lich einen ſolchen aͤlteren Maͤnnerfreund gefunden nach langem Irrſal. Denn uͤber Einen rechten Mann ſcheint die Welt wieder gelungen, recht und hoffnungsvoll zu ſein. Schweigend ſah er den Grafen an und dieſer ſchwieg auch eine Weile; dann druͤckte Heinrich die Augen in das Kiſſen und ſuchte ſie verſtohlen zu trocknen, ſagte aber dann: »Es geht mir recht naͤrriſch! Als ich ein Schuljunge war, war nichts im Stande, mir Thraͤnen zu entlocken, und ich galt fuͤr einen ver¬ ſtockten Burſchen; ſeit ich groß geworden bin, iſt der Teufel alle Augenblick los und hoͤchſtens bring' ich es zu einem oder zwei gaͤnzlich trockenen Jahr¬ gaͤngen!«
Der Graf nahm ſeine Hand und ſprach: »Ge¬ dulden Sie ſich noch ein paar Jaͤhrchen und dann wird es vorbei ſein und ſtandhaftes trockenes
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0340"n="330"/>
und geruͤhrtem Laͤcheln, »ſo muͤſſen Sie durchaus<lb/>
gekuͤßt ſein zur Beſiegelung unſeres guten Ein¬<lb/>
vernehmens!« Er umarmte Heinrich und kuͤßte<lb/>
ihn herzlich, und dieſer kuͤßte ihn, ſein leiſes<lb/>
Straͤuben aufgebend, herzhaft und ſeine Augen<lb/>
fuͤllten ſich mit ſalzig heißem Waſſer, da er end¬<lb/>
lich einen ſolchen aͤlteren Maͤnnerfreund gefunden<lb/>
nach langem Irrſal. Denn uͤber Einen rechten<lb/>
Mann ſcheint die Welt wieder gelungen, recht und<lb/>
hoffnungsvoll zu ſein. Schweigend ſah er den<lb/>
Grafen an und dieſer ſchwieg auch eine Weile;<lb/>
dann druͤckte Heinrich die Augen in das Kiſſen<lb/>
und ſuchte ſie verſtohlen zu trocknen, ſagte aber<lb/>
dann: »Es geht mir recht naͤrriſch! Als ich ein<lb/>
Schuljunge war, war nichts im Stande, mir<lb/>
Thraͤnen zu entlocken, und ich galt fuͤr einen ver¬<lb/>ſtockten Burſchen; ſeit ich groß geworden bin, iſt<lb/>
der Teufel alle Augenblick los und hoͤchſtens bring'<lb/>
ich es zu einem oder zwei gaͤnzlich trockenen Jahr¬<lb/>
gaͤngen!«</p><lb/><p>Der Graf nahm ſeine Hand und ſprach: »Ge¬<lb/>
dulden Sie ſich noch ein paar Jaͤhrchen und dann<lb/>
wird es vorbei ſein und ſtandhaftes trockenes<lb/></p></div></body></text></TEI>
[330/0340]
und geruͤhrtem Laͤcheln, »ſo muͤſſen Sie durchaus
gekuͤßt ſein zur Beſiegelung unſeres guten Ein¬
vernehmens!« Er umarmte Heinrich und kuͤßte
ihn herzlich, und dieſer kuͤßte ihn, ſein leiſes
Straͤuben aufgebend, herzhaft und ſeine Augen
fuͤllten ſich mit ſalzig heißem Waſſer, da er end¬
lich einen ſolchen aͤlteren Maͤnnerfreund gefunden
nach langem Irrſal. Denn uͤber Einen rechten
Mann ſcheint die Welt wieder gelungen, recht und
hoffnungsvoll zu ſein. Schweigend ſah er den
Grafen an und dieſer ſchwieg auch eine Weile;
dann druͤckte Heinrich die Augen in das Kiſſen
und ſuchte ſie verſtohlen zu trocknen, ſagte aber
dann: »Es geht mir recht naͤrriſch! Als ich ein
Schuljunge war, war nichts im Stande, mir
Thraͤnen zu entlocken, und ich galt fuͤr einen ver¬
ſtockten Burſchen; ſeit ich groß geworden bin, iſt
der Teufel alle Augenblick los und hoͤchſtens bring'
ich es zu einem oder zwei gaͤnzlich trockenen Jahr¬
gaͤngen!«
Der Graf nahm ſeine Hand und ſprach: »Ge¬
dulden Sie ſich noch ein paar Jaͤhrchen und dann
wird es vorbei ſein und ſtandhaftes trockenes
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/340>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.