heuern zerbrochen war. Heute reicht man ihm, wenn es recht hoch und kühnlich hergeht, ein Bündel Banknoten, welche er auch ganz stillver¬ gnügt einsteckt, und mit denen er, statt eines Schwertes, um sich schlagen und weiter fechten muß, um sich Luft zu schaffen für seine wunder¬ lichen und unerheblichen Thaten"
"So ist es," antwortete der Graf, "darum sehen Sie zu, daß Ihnen das moderne Schwert nie mehr zerbricht! Denn nur wenn Sie Geld haben, brauchen Sie am wenigsten an dasselbe zu denken und befinden sich nur dann in vollkommener Freiheit! Wenn es nicht geht, so kann man aller¬ dings auch sonst ein rechter Mann sein; aber man muß alsdann einen absonderlichen und beschränk¬ ten Charakter annehmen, was der wahren Frei¬ heit auch widerspricht!"
Als sie in das Zimmer traten, kam ihnen Do¬ rothea entgegen und begrüßte Heinrich freundlich, doch mit einer gewissen anmuthigen Gemessenheit, indem sie einen leichten Knix machte, sich gleich wieder bolzgerad aufrichtete, den Lockenkopf aller¬ liebst auf eine Seite neigte und den Gast mit rei¬
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heuern zerbrochen war. Heute reicht man ihm, wenn es recht hoch und kuͤhnlich hergeht, ein Buͤndel Banknoten, welche er auch ganz ſtillver¬ gnuͤgt einſteckt, und mit denen er, ſtatt eines Schwertes, um ſich ſchlagen und weiter fechten muß, um ſich Luft zu ſchaffen fuͤr ſeine wunder¬ lichen und unerheblichen Thaten«
»So iſt es,« antwortete der Graf, »darum ſehen Sie zu, daß Ihnen das moderne Schwert nie mehr zerbricht! Denn nur wenn Sie Geld haben, brauchen Sie am wenigſten an daſſelbe zu denken und befinden ſich nur dann in vollkommener Freiheit! Wenn es nicht geht, ſo kann man aller¬ dings auch ſonſt ein rechter Mann ſein; aber man muß alsdann einen abſonderlichen und beſchraͤnk¬ ten Charakter annehmen, was der wahren Frei¬ heit auch widerſpricht!«
Als ſie in das Zimmer traten, kam ihnen Do¬ rothea entgegen und begruͤßte Heinrich freundlich, doch mit einer gewiſſen anmuthigen Gemeſſenheit, indem ſie einen leichten Knix machte, ſich gleich wieder bolzgerad aufrichtete, den Lockenkopf aller¬ liebſt auf eine Seite neigte und den Gaſt mit rei¬
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heuern zerbrochen war. Heute reicht man ihm,
wenn es recht hoch und kuͤhnlich hergeht, ein
Buͤndel Banknoten, welche er auch ganz ſtillver¬
gnuͤgt einſteckt, und mit denen er, ſtatt eines
Schwertes, um ſich ſchlagen und weiter fechten
muß, um ſich Luft zu ſchaffen fuͤr ſeine wunder¬
lichen und unerheblichen Thaten«
»So iſt es,« antwortete der Graf, »darum
ſehen Sie zu, daß Ihnen das moderne Schwert
nie mehr zerbricht! Denn nur wenn Sie Geld
haben, brauchen Sie am wenigſten an daſſelbe zu
denken und befinden ſich nur dann in vollkommener
Freiheit! Wenn es nicht geht, ſo kann man aller¬
dings auch ſonſt ein rechter Mann ſein; aber man
muß alsdann einen abſonderlichen und beſchraͤnk¬
ten Charakter annehmen, was der wahren Frei¬
heit auch widerſpricht!«
Als ſie in das Zimmer traten, kam ihnen Do¬
rothea entgegen und begruͤßte Heinrich freundlich,
doch mit einer gewiſſen anmuthigen Gemeſſenheit,
indem ſie einen leichten Knix machte, ſich gleich
wieder bolzgerad aufrichtete, den Lockenkopf aller¬
liebſt auf eine Seite neigte und den Gaſt mit rei¬
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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