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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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nicht geschehen kann! Nicht einmal weiß ich mehr
es anzufangen, ein Sterbenswörtchen gegen sie
hervorzubringen!"

Dann starrte er wieder über das Land hin¬
aus; doch kaum waren einige Minuten vergan¬
gen, während welcher er neugierig eine Wolke
oder einen Gegenstand am Horizonte betrachtet
oder auch ein schwankendes Gras zu seinen Fü¬
ßen, so kehrten die Gedanken wieder zu ihrer al¬
ten Last zurück, denn Dortchens goldenes hartes
Bild lag so schwer in seinem Herzen, daß es
ein Loch in selbes zu reißen drohte und nicht
erlaubte, daß die Gedanken länger anderswo
spazieren gingen.

Obgleich er im Grunde dies gern litt und
geschehen ließ, so gedachte er doch nicht, sich dar¬
an aufzureiben, und begann, andere Saiten auf¬
zuziehen, indem er endlich bestimmt und deutlich
festzustellen suchte, daß Dorothea gewiß nichts
für ihn fühlte, und daß ja auch gar kein ver¬
nünftiger Grund vorhanden sei, das etwa sich
einzubilden. Er musterte ihr Betragen durch

nicht geſchehen kann! Nicht einmal weiß ich mehr
es anzufangen, ein Sterbenswoͤrtchen gegen ſie
hervorzubringen!«

Dann ſtarrte er wieder uͤber das Land hin¬
aus; doch kaum waren einige Minuten vergan¬
gen, waͤhrend welcher er neugierig eine Wolke
oder einen Gegenſtand am Horizonte betrachtet
oder auch ein ſchwankendes Gras zu ſeinen Fuͤ¬
ßen, ſo kehrten die Gedanken wieder zu ihrer al¬
ten Laſt zuruͤck, denn Dortchens goldenes hartes
Bild lag ſo ſchwer in ſeinem Herzen, daß es
ein Loch in ſelbes zu reißen drohte und nicht
erlaubte, daß die Gedanken laͤnger anderswo
ſpazieren gingen.

Obgleich er im Grunde dies gern litt und
geſchehen ließ, ſo gedachte er doch nicht, ſich dar¬
an aufzureiben, und begann, andere Saiten auf¬
zuziehen, indem er endlich beſtimmt und deutlich
feſtzuſtellen ſuchte, daß Dorothea gewiß nichts
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[407/0417] nicht geſchehen kann! Nicht einmal weiß ich mehr es anzufangen, ein Sterbenswoͤrtchen gegen ſie hervorzubringen!« Dann ſtarrte er wieder uͤber das Land hin¬ aus; doch kaum waren einige Minuten vergan¬ gen, waͤhrend welcher er neugierig eine Wolke oder einen Gegenſtand am Horizonte betrachtet oder auch ein ſchwankendes Gras zu ſeinen Fuͤ¬ ßen, ſo kehrten die Gedanken wieder zu ihrer al¬ ten Laſt zuruͤck, denn Dortchens goldenes hartes Bild lag ſo ſchwer in ſeinem Herzen, daß es ein Loch in ſelbes zu reißen drohte und nicht erlaubte, daß die Gedanken laͤnger anderswo ſpazieren gingen. Obgleich er im Grunde dies gern litt und geſchehen ließ, ſo gedachte er doch nicht, ſich dar¬ an aufzureiben, und begann, andere Saiten auf¬ zuziehen, indem er endlich beſtimmt und deutlich feſtzuſtellen ſuchte, daß Dorothea gewiß nichts fuͤr ihn fuͤhlte, und daß ja auch gar kein ver¬ nuͤnftiger Grund vorhanden ſei, das etwa ſich einzubilden. Er muſterte ihr Betragen durch

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/417>, abgerufen am 25.11.2024.