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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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das Gegenwärtige, was man kennt, ist heilig
und tröstlich, und es ist jammerschade um jedes
todtgeborene Lebensglück.

Da nun der verliebte Heinrich bei sich aus¬
gemacht hatte, daß Dortchen gar nicht an ihn
denke, ward er um Vieles ruhiger und befand sich
am sechsten Tage seines Lebens in der Wildniß
schon so weit, daß er darüber rathschlagen konnte,
ob er, zum Danke für ihre Liebenswürdigkeit und
Schönheit, es ihr sagen wolle oder nicht. Er ge¬
dachte sich im ersten Falle wieder auf einen unbe¬
fangenen und guten Fuß mit ihr zu setzen, und
ihr alsdann gelegentlich, eh' er abreiste und wenn
sie einmal recht artig gegen ihn wäre, lachend
und manierlich zu gestehen, welchen Rumor sie
ihm angerichtet, und ihr zugleich zu sagen, sie
sollte sich nicht im Geringsten darum kümmern, er
habe es ihr nur sagen wollen, um ihr vielleicht
eine kleine Freude zu machen, die sie so sehr ver¬
diene; im Uebrigen sei nun Alles wieder gut und
er wohl und munter! Vor Spott und Schaden¬
freude war er sicher bei ihr, jedoch tauchte ihm
sogleich die Besorgniß aus, man dürfte am Ende

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das Gegenwaͤrtige, was man kennt, iſt heilig
und troͤſtlich, und es iſt jammerſchade um jedes
todtgeborene Lebensgluͤck.

Da nun der verliebte Heinrich bei ſich aus¬
gemacht hatte, daß Dortchen gar nicht an ihn
denke, ward er um Vieles ruhiger und befand ſich
am ſechſten Tage ſeines Lebens in der Wildniß
ſchon ſo weit, daß er daruͤber rathſchlagen konnte,
ob er, zum Danke fuͤr ihre Liebenswuͤrdigkeit und
Schoͤnheit, es ihr ſagen wolle oder nicht. Er ge¬
dachte ſich im erſten Falle wieder auf einen unbe¬
fangenen und guten Fuß mit ihr zu ſetzen, und
ihr alsdann gelegentlich, eh' er abreiſte und wenn
ſie einmal recht artig gegen ihn waͤre, lachend
und manierlich zu geſtehen, welchen Rumor ſie
ihm angerichtet, und ihr zugleich zu ſagen, ſie
ſollte ſich nicht im Geringſten darum kuͤmmern, er
habe es ihr nur ſagen wollen, um ihr vielleicht
eine kleine Freude zu machen, die ſie ſo ſehr ver¬
diene; im Uebrigen ſei nun Alles wieder gut und
er wohl und munter! Vor Spott und Schaden¬
freude war er ſicher bei ihr, jedoch tauchte ihm
ſogleich die Beſorgniß aus, man duͤrfte am Ende

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[409/0419] das Gegenwaͤrtige, was man kennt, iſt heilig und troͤſtlich, und es iſt jammerſchade um jedes todtgeborene Lebensgluͤck. Da nun der verliebte Heinrich bei ſich aus¬ gemacht hatte, daß Dortchen gar nicht an ihn denke, ward er um Vieles ruhiger und befand ſich am ſechſten Tage ſeines Lebens in der Wildniß ſchon ſo weit, daß er daruͤber rathſchlagen konnte, ob er, zum Danke fuͤr ihre Liebenswuͤrdigkeit und Schoͤnheit, es ihr ſagen wolle oder nicht. Er ge¬ dachte ſich im erſten Falle wieder auf einen unbe¬ fangenen und guten Fuß mit ihr zu ſetzen, und ihr alsdann gelegentlich, eh' er abreiſte und wenn ſie einmal recht artig gegen ihn waͤre, lachend und manierlich zu geſtehen, welchen Rumor ſie ihm angerichtet, und ihr zugleich zu ſagen, ſie ſollte ſich nicht im Geringſten darum kuͤmmern, er habe es ihr nur ſagen wollen, um ihr vielleicht eine kleine Freude zu machen, die ſie ſo ſehr ver¬ diene; im Uebrigen ſei nun Alles wieder gut und er wohl und munter! Vor Spott und Schaden¬ freude war er ſicher bei ihr, jedoch tauchte ihm ſogleich die Beſorgniß aus, man duͤrfte am Ende 26 *

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/419>, abgerufen am 26.11.2024.