gleich er fortaß, sprach immer, und die beiden Leutchen brauchten ihm nur zuzuhören, indeß der Hund mit feurigen Augen und offenem Maule nach der Schüssel starrte. "Ach, der arme Hund, wie es ihn gelüstet," sagte Dortchen, "essen Sie dies auch, Herr Pfarrer? oder erlauben Sie, daß ich es ihm gebe?" Sie zeigte hierbei auf das krumme Schwänzchen, das sich manierlich auf dem Rande der Schüssel darstellte. "Dies Sau¬ schwänzchen?" sagte der Pfarrer, "nein, mein Fräulein! das können Sie ihm nicht geben, das ess'ich selbst! Warten Sie, hier ist was für ihn!" und er setzte dem gierigen Thiere einen Teller vor, in welchen er allerlei Knöchelchen und Knor¬ pelwerk geworfen hatte. Dortchen und Heinrich sahen sich unwillkürlich einander an und mußten lächeln, nicht über den Pfarrer aus Spott, son¬ dern weil seine vergnügte und selbstzufriedene Freude an dem Sauschwänzchen so lustig war. Auch der Hund, der sich eifrig und begierig mit seinen Knorpeln unterhielt, vermehrte durch seine Behaglichkeit die gute Stimmung der jungen Leute. Dortchen streichelte ihm den Kopf, als
gleich er fortaß, ſprach immer, und die beiden Leutchen brauchten ihm nur zuzuhoͤren, indeß der Hund mit feurigen Augen und offenem Maule nach der Schuͤſſel ſtarrte. »Ach, der arme Hund, wie es ihn geluͤſtet,« ſagte Dortchen, »eſſen Sie dies auch, Herr Pfarrer? oder erlauben Sie, daß ich es ihm gebe?« Sie zeigte hierbei auf das krumme Schwaͤnzchen, das ſich manierlich auf dem Rande der Schuͤſſel darſtellte. »Dies Sau¬ ſchwaͤnzchen?« ſagte der Pfarrer, »nein, mein Fraͤulein! das koͤnnen Sie ihm nicht geben, das eſſ'ich ſelbſt! Warten Sie, hier iſt was fuͤr ihn!« und er ſetzte dem gierigen Thiere einen Teller vor, in welchen er allerlei Knoͤchelchen und Knor¬ pelwerk geworfen hatte. Dortchen und Heinrich ſahen ſich unwillkuͤrlich einander an und mußten laͤcheln, nicht uͤber den Pfarrer aus Spott, ſon¬ dern weil ſeine vergnuͤgte und ſelbſtzufriedene Freude an dem Sauſchwaͤnzchen ſo luſtig war. Auch der Hund, der ſich eifrig und begierig mit ſeinen Knorpeln unterhielt, vermehrte durch ſeine Behaglichkeit die gute Stimmung der jungen Leute. Dortchen ſtreichelte ihm den Kopf, als
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gleich er fortaß, ſprach immer, und die beiden
Leutchen brauchten ihm nur zuzuhoͤren, indeß der
Hund mit feurigen Augen und offenem Maule
nach der Schuͤſſel ſtarrte. »Ach, der arme Hund,
wie es ihn geluͤſtet,« ſagte Dortchen, »eſſen Sie
dies auch, Herr Pfarrer? oder erlauben Sie, daß
ich es ihm gebe?« Sie zeigte hierbei auf das
krumme Schwaͤnzchen, das ſich manierlich auf
dem Rande der Schuͤſſel darſtellte. »Dies Sau¬
ſchwaͤnzchen?« ſagte der Pfarrer, »nein, mein
Fraͤulein! das koͤnnen Sie ihm nicht geben, das
eſſ'ich ſelbſt! Warten Sie, hier iſt was fuͤr ihn!«
und er ſetzte dem gierigen Thiere einen Teller
vor, in welchen er allerlei Knoͤchelchen und Knor¬
pelwerk geworfen hatte. Dortchen und Heinrich
ſahen ſich unwillkuͤrlich einander an und mußten
laͤcheln, nicht uͤber den Pfarrer aus Spott, ſon¬
dern weil ſeine vergnuͤgte und ſelbſtzufriedene
Freude an dem Sauſchwaͤnzchen ſo luſtig war.
Auch der Hund, der ſich eifrig und begierig mit
ſeinen Knorpeln unterhielt, vermehrte durch ſeine
Behaglichkeit die gute Stimmung der jungen
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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/435>, abgerufen am 27.11.2024.
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