geschossen bei zufälligen Gelegenheiten und bei dem Leichtsinn, mit welcher seine Jugend die Sache in die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet. Jetzt erfuhr er, wie der Ernst des Lebens und die Zeit fähig machen, auch die einfachsten Dinge besonnener in die Hand zu nehmen, und wäh¬ rend des Tages, an welchem er fleißig schoß, erlangte er die Gewißheit, bei fortgesetzter Uebung sich die Eigenschaft zu erwerben, nicht bloß ein Maulheld zu sein oder ein Bratenschütze, sondern in der Stunde der Gefahr etwa für seine Per¬ son und was ihm theuer war, einzustehen.
So wurde sein Heimweg gehemmt und auf¬ gehalten, wie nur eine ängstliche Traumreise aufgehalten werden kann, und es war ihm fast gleich zu Muthe wie in jenen Träumen, in de¬ nen er heimreiste, und fühlte sich beklommen, so daß er sich losreißen mußte, um nur endlich weiter zu kommen. Da alle Posten und Fuhr¬ werke überfüllt waren, ließ er bloß seine Sa¬ chen mit der Post gehen und machte sich an einem krystallhellen Morgen zu Fuß auf den Weg, um endlich der Vaterstadt zuzueilen
geſchoſſen bei zufaͤlligen Gelegenheiten und bei dem Leichtſinn, mit welcher ſeine Jugend die Sache in die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet. Jetzt erfuhr er, wie der Ernſt des Lebens und die Zeit faͤhig machen, auch die einfachſten Dinge beſonnener in die Hand zu nehmen, und waͤh¬ rend des Tages, an welchem er fleißig ſchoß, erlangte er die Gewißheit, bei fortgeſetzter Uebung ſich die Eigenſchaft zu erwerben, nicht bloß ein Maulheld zu ſein oder ein Bratenſchuͤtze, ſondern in der Stunde der Gefahr etwa fuͤr ſeine Per¬ ſon und was ihm theuer war, einzuſtehen.
So wurde ſein Heimweg gehemmt und auf¬ gehalten, wie nur eine aͤngſtliche Traumreiſe aufgehalten werden kann, und es war ihm faſt gleich zu Muthe wie in jenen Traͤumen, in de¬ nen er heimreiſte, und fuͤhlte ſich beklommen, ſo daß er ſich losreißen mußte, um nur endlich weiter zu kommen. Da alle Poſten und Fuhr¬ werke uͤberfuͤllt waren, ließ er bloß ſeine Sa¬ chen mit der Poſt gehen und machte ſich an einem kryſtallhellen Morgen zu Fuß auf den Weg, um endlich der Vaterſtadt zuzueilen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0473"n="463"/>
geſchoſſen bei zufaͤlligen Gelegenheiten und bei dem<lb/>
Leichtſinn, mit welcher ſeine Jugend die Sache in<lb/>
die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet.<lb/>
Jetzt erfuhr er, wie der Ernſt des Lebens und<lb/>
die Zeit faͤhig machen, auch die einfachſten Dinge<lb/>
beſonnener in die Hand zu nehmen, und waͤh¬<lb/>
rend des Tages, an welchem er fleißig ſchoß,<lb/>
erlangte er die Gewißheit, bei fortgeſetzter Uebung<lb/>ſich die Eigenſchaft zu erwerben, nicht bloß ein<lb/>
Maulheld zu ſein oder ein Bratenſchuͤtze, ſondern<lb/>
in der Stunde der Gefahr etwa fuͤr ſeine Per¬<lb/>ſon und was ihm theuer war, einzuſtehen.</p><lb/><p>So wurde ſein Heimweg gehemmt und auf¬<lb/>
gehalten, wie nur eine aͤngſtliche Traumreiſe<lb/>
aufgehalten werden kann, und es war ihm faſt<lb/>
gleich zu Muthe wie in jenen Traͤumen, in de¬<lb/>
nen er heimreiſte, und fuͤhlte ſich beklommen,<lb/>ſo daß er ſich losreißen mußte, um nur endlich<lb/>
weiter zu kommen. Da alle Poſten und Fuhr¬<lb/>
werke uͤberfuͤllt waren, ließ er bloß ſeine Sa¬<lb/>
chen mit der Poſt gehen und machte ſich an<lb/>
einem kryſtallhellen Morgen zu Fuß auf den<lb/>
Weg, um endlich der Vaterſtadt zuzueilen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[463/0473]
geſchoſſen bei zufaͤlligen Gelegenheiten und bei dem
Leichtſinn, mit welcher ſeine Jugend die Sache in
die Hand nahm, nichts Sonderliches ausgerichtet.
Jetzt erfuhr er, wie der Ernſt des Lebens und
die Zeit faͤhig machen, auch die einfachſten Dinge
beſonnener in die Hand zu nehmen, und waͤh¬
rend des Tages, an welchem er fleißig ſchoß,
erlangte er die Gewißheit, bei fortgeſetzter Uebung
ſich die Eigenſchaft zu erwerben, nicht bloß ein
Maulheld zu ſein oder ein Bratenſchuͤtze, ſondern
in der Stunde der Gefahr etwa fuͤr ſeine Per¬
ſon und was ihm theuer war, einzuſtehen.
So wurde ſein Heimweg gehemmt und auf¬
gehalten, wie nur eine aͤngſtliche Traumreiſe
aufgehalten werden kann, und es war ihm faſt
gleich zu Muthe wie in jenen Traͤumen, in de¬
nen er heimreiſte, und fuͤhlte ſich beklommen,
ſo daß er ſich losreißen mußte, um nur endlich
weiter zu kommen. Da alle Poſten und Fuhr¬
werke uͤberfuͤllt waren, ließ er bloß ſeine Sa¬
chen mit der Poſt gehen und machte ſich an
einem kryſtallhellen Morgen zu Fuß auf den
Weg, um endlich der Vaterſtadt zuzueilen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 463. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/473>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.