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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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sten plastischen Charakterwesen, welche ihm alle¬
zeit bewundernswerth, geheimnißvoll und anlo¬
ckend waren, ohne mystisch zu sein. Das schöne
rothe Blut, sicht-, fühl- und hörbar, unablässig
umgetrieben und wandernd, gegenüber dem unbe¬
weglichen, still verharrenden und farblosen Ner¬
vensystem, welches doch der allgegenwärtige und
allmächtige Herr der Bewegung ist, mit geheim¬
nißvoller Blitzesschnelle herrschend, während jenes
in ehrlicher und handgreiflicher Arbeit wandern
muß, das Blut war ihm der allgemeine Strom
organischen Lebens, angefüllt mit sphärischen Kör¬
pern, jeder schon eine kleine Welt und ungezählt,
wie die Sterne des Himmels; und jeder dieser
Myriaden Körper, der einige Pulsschläge lang
kreiste, ehe er unterging, war ihm so wichtig und
merkwürdig, wie jene leuchtenden Globen, welche
Millionen Jahre sich im Strome fortschwingen, ehe
sie eben auch wieder anderen Platz machen. Wenn
man dem Menschen einen bestimmten Theil seines
Blutes entzieht und weggießt, so wird er dadurch
weder verstümmelt, noch verändert, und jenes Blut
ersetzt sich unaufhörlich; daher sah der grüne

ſten plaſtiſchen Charakterweſen, welche ihm alle¬
zeit bewundernswerth, geheimnißvoll und anlo¬
ckend waren, ohne myſtiſch zu ſein. Das ſchoͤne
rothe Blut, ſicht-, fuͤhl- und hoͤrbar, unablaͤſſig
umgetrieben und wandernd, gegenuͤber dem unbe¬
weglichen, ſtill verharrenden und farbloſen Ner¬
venſyſtem, welches doch der allgegenwaͤrtige und
allmaͤchtige Herr der Bewegung iſt, mit geheim¬
nißvoller Blitzesſchnelle herrſchend, waͤhrend jenes
in ehrlicher und handgreiflicher Arbeit wandern
muß, das Blut war ihm der allgemeine Strom
organiſchen Lebens, angefuͤllt mit ſphaͤriſchen Koͤr¬
pern, jeder ſchon eine kleine Welt und ungezaͤhlt,
wie die Sterne des Himmels; und jeder dieſer
Myriaden Koͤrper, der einige Pulsſchlaͤge lang
kreiſte, ehe er unterging, war ihm ſo wichtig und
merkwuͤrdig, wie jene leuchtenden Globen, welche
Millionen Jahre ſich im Strome fortſchwingen, ehe
ſie eben auch wieder anderen Platz machen. Wenn
man dem Menſchen einen beſtimmten Theil ſeines
Blutes entzieht und weggießt, ſo wird er dadurch
weder verſtuͤmmelt, noch veraͤndert, und jenes Blut
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[63/0073] ſten plaſtiſchen Charakterweſen, welche ihm alle¬ zeit bewundernswerth, geheimnißvoll und anlo¬ ckend waren, ohne myſtiſch zu ſein. Das ſchoͤne rothe Blut, ſicht-, fuͤhl- und hoͤrbar, unablaͤſſig umgetrieben und wandernd, gegenuͤber dem unbe¬ weglichen, ſtill verharrenden und farbloſen Ner¬ venſyſtem, welches doch der allgegenwaͤrtige und allmaͤchtige Herr der Bewegung iſt, mit geheim¬ nißvoller Blitzesſchnelle herrſchend, waͤhrend jenes in ehrlicher und handgreiflicher Arbeit wandern muß, das Blut war ihm der allgemeine Strom organiſchen Lebens, angefuͤllt mit ſphaͤriſchen Koͤr¬ pern, jeder ſchon eine kleine Welt und ungezaͤhlt, wie die Sterne des Himmels; und jeder dieſer Myriaden Koͤrper, der einige Pulsſchlaͤge lang kreiſte, ehe er unterging, war ihm ſo wichtig und merkwuͤrdig, wie jene leuchtenden Globen, welche Millionen Jahre ſich im Strome fortſchwingen, ehe ſie eben auch wieder anderen Platz machen. Wenn man dem Menſchen einen beſtimmten Theil ſeines Blutes entzieht und weggießt, ſo wird er dadurch weder verſtuͤmmelt, noch veraͤndert, und jenes Blut erſetzt ſich unaufhoͤrlich; daher ſah der gruͤne

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/73>, abgerufen am 24.11.2024.