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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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unbedingt gethan hätte. Vielmehr gerieth er auf
den natürlichen Gedanken, daß das Wahrste und
Beste hier wohl in der Mitte liegen dürfte, daß
innerhalb des ununterbrochenen organischen Ver¬
haltens, der darin eingeschachtelten Reihenfolge der
Eindrücke, Erfahrungen und Vorstellungen, zuin¬
nerst der moralische Fruchtkern eines freien Wil¬
lens keime zum emporstrebenden Baume, dessen
Aeste gleichwohl wieder sich zum Grunde hinab¬
bögen, dem sie entsprossen, um dort unablässig
auf's Neue Wurzeln zu schlagen.

"Diesen Proceß," sagte er sich, "kann man am
füglichsten mit einer Reitbahn vergleichen. Der
Boden derselben ist das Leben dieser Welt, über
welches es gilt hinwegzukommen auf gute Ma¬
nier, und kann zugleich den festen derben Grund
aller Materie vorstellen. Das wohlgeartete und
geschulte Pferd ist das besondere, immer noch ma¬
terielle Organ, der Reiter darauf der gute mensch¬
liche Wille, welcher jenes zu beherrschen und zum
freien Willen zu werden trachtet, um auf edlere
Weise über jenen derben Grund wegzukommen;
der Stallmeister endlich mit seinen hohen Stie¬

unbedingt gethan haͤtte. Vielmehr gerieth er auf
den natuͤrlichen Gedanken, daß das Wahrſte und
Beſte hier wohl in der Mitte liegen duͤrfte, daß
innerhalb des ununterbrochenen organiſchen Ver¬
haltens, der darin eingeſchachtelten Reihenfolge der
Eindruͤcke, Erfahrungen und Vorſtellungen, zuin¬
nerſt der moraliſche Fruchtkern eines freien Wil¬
lens keime zum emporſtrebenden Baume, deſſen
Aeſte gleichwohl wieder ſich zum Grunde hinab¬
boͤgen, dem ſie entſproſſen, um dort unablaͤſſig
auf's Neue Wurzeln zu ſchlagen.

»Dieſen Proceß,« ſagte er ſich, »kann man am
fuͤglichſten mit einer Reitbahn vergleichen. Der
Boden derſelben iſt das Leben dieſer Welt, uͤber
welches es gilt hinwegzukommen auf gute Ma¬
nier, und kann zugleich den feſten derben Grund
aller Materie vorſtellen. Das wohlgeartete und
geſchulte Pferd iſt das beſondere, immer noch ma¬
terielle Organ, der Reiter darauf der gute menſch¬
liche Wille, welcher jenes zu beherrſchen und zum
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[75/0085] unbedingt gethan haͤtte. Vielmehr gerieth er auf den natuͤrlichen Gedanken, daß das Wahrſte und Beſte hier wohl in der Mitte liegen duͤrfte, daß innerhalb des ununterbrochenen organiſchen Ver¬ haltens, der darin eingeſchachtelten Reihenfolge der Eindruͤcke, Erfahrungen und Vorſtellungen, zuin¬ nerſt der moraliſche Fruchtkern eines freien Wil¬ lens keime zum emporſtrebenden Baume, deſſen Aeſte gleichwohl wieder ſich zum Grunde hinab¬ boͤgen, dem ſie entſproſſen, um dort unablaͤſſig auf's Neue Wurzeln zu ſchlagen. »Dieſen Proceß,« ſagte er ſich, »kann man am fuͤglichſten mit einer Reitbahn vergleichen. Der Boden derſelben iſt das Leben dieſer Welt, uͤber welches es gilt hinwegzukommen auf gute Ma¬ nier, und kann zugleich den feſten derben Grund aller Materie vorſtellen. Das wohlgeartete und geſchulte Pferd iſt das beſondere, immer noch ma¬ terielle Organ, der Reiter darauf der gute menſch¬ liche Wille, welcher jenes zu beherrſchen und zum freien Willen zu werden trachtet, um auf edlere Weiſe uͤber jenen derben Grund wegzukommen; der Stallmeiſter endlich mit ſeinen hohen Stie¬

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/85>, abgerufen am 25.11.2024.