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Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855.

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Zu der Zeit seiner Jean Paul'schen Belesen¬
heitsbildung hatte er das Rechtswesen für eine
Sache gehalten, von der absolut nichts zu wissen,
noch zu ahnen, eine Ehre für jeden wohl ange¬
legten Menschen sein müsse, und die Juristen
waren ihm eine Art unglücklicher in keiner Be¬
ziehung beneidenswerther Schicksalsgenossen gewe¬
sen, deren unterste Stufe etwa die Häscher und
Abdecker wären, vom Abhub und Eiter der Ge¬
sellschaft lebend. Der Civilrichter war ihm da¬
zumal noch viel verächtlicher, als der Proceßsüch¬
tige und dessen Advocat; denn, sagte er, wenn
die Menschen stupid und schlecht genug sind, un¬
klare und falsche Ansprüche gegen einander zu
erheben und sich um des Kaisers Bart zu zan¬
ken, so ist derjenige noch der viel größere Esel,
der sich dazu hergiebt, sich von den Zankbolden
anschreien und belügen zu lassen und ihre schmutzige
Wäsche rein zu machen. Vielmehr, meinte er,
sollte man alle Leute sich so lange zanken lassen,
bis der Eine oder der Andere Gewalt braucht,
diesen alsdann beim Kopf nehmen, dem Straf¬
richter überweisen und erst jetzt zugleich mit dem

Zu der Zeit ſeiner Jean Paul'ſchen Beleſen¬
heitsbildung hatte er das Rechtsweſen fuͤr eine
Sache gehalten, von der abſolut nichts zu wiſſen,
noch zu ahnen, eine Ehre fuͤr jeden wohl ange¬
legten Menſchen ſein muͤſſe, und die Juriſten
waren ihm eine Art ungluͤcklicher in keiner Be¬
ziehung beneidenswerther Schickſalsgenoſſen gewe¬
ſen, deren unterſte Stufe etwa die Haͤſcher und
Abdecker waͤren, vom Abhub und Eiter der Ge¬
ſellſchaft lebend. Der Civilrichter war ihm da¬
zumal noch viel veraͤchtlicher, als der Proceßſuͤch¬
tige und deſſen Advocat; denn, ſagte er, wenn
die Menſchen ſtupid und ſchlecht genug ſind, un¬
klare und falſche Anſpruͤche gegen einander zu
erheben und ſich um des Kaiſers Bart zu zan¬
ken, ſo iſt derjenige noch der viel groͤßere Eſel,
der ſich dazu hergiebt, ſich von den Zankbolden
anſchreien und beluͤgen zu laſſen und ihre ſchmutzige
Waͤſche rein zu machen. Vielmehr, meinte er,
ſollte man alle Leute ſich ſo lange zanken laſſen,
bis der Eine oder der Andere Gewalt braucht,
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richter uͤberweiſen und erſt jetzt zugleich mit dem

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[84/0094] Zu der Zeit ſeiner Jean Paul'ſchen Beleſen¬ heitsbildung hatte er das Rechtsweſen fuͤr eine Sache gehalten, von der abſolut nichts zu wiſſen, noch zu ahnen, eine Ehre fuͤr jeden wohl ange¬ legten Menſchen ſein muͤſſe, und die Juriſten waren ihm eine Art ungluͤcklicher in keiner Be¬ ziehung beneidenswerther Schickſalsgenoſſen gewe¬ ſen, deren unterſte Stufe etwa die Haͤſcher und Abdecker waͤren, vom Abhub und Eiter der Ge¬ ſellſchaft lebend. Der Civilrichter war ihm da¬ zumal noch viel veraͤchtlicher, als der Proceßſuͤch¬ tige und deſſen Advocat; denn, ſagte er, wenn die Menſchen ſtupid und ſchlecht genug ſind, un¬ klare und falſche Anſpruͤche gegen einander zu erheben und ſich um des Kaiſers Bart zu zan¬ ken, ſo iſt derjenige noch der viel groͤßere Eſel, der ſich dazu hergiebt, ſich von den Zankbolden anſchreien und beluͤgen zu laſſen und ihre ſchmutzige Waͤſche rein zu machen. Vielmehr, meinte er, ſollte man alle Leute ſich ſo lange zanken laſſen, bis der Eine oder der Andere Gewalt braucht, dieſen alsdann beim Kopf nehmen, dem Straf¬ richter uͤberweiſen und erſt jetzt zugleich mit dem

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Der grüne Heinrich. Bd. 4. Braunschweig, 1855, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_heinrich04_1855/94>, abgerufen am 26.11.2024.