vielleicht auch, wenn ich einen guten Prediger finde, etwa später in ein Kloster gehen und Buße thun!"
"Gut so, immer besser!" rief er, "das ist ja ein ordentlicher Kriegsplan und gar nicht übel errathen! Denn was den Prediger betrifft, so ist er schon da, er steht vor dir, du schwarzäugiges Höllenbrätchen! Und das Kloster ist dir auch schon hergerichtet wie eine Mausfalle, nur daß man ungesündigt hinein spaziert, verstanden? Ungesündigt bis auf den sau¬ beren Vorsatz, der indessen einen erklecklichen Reueknochen für dein ganzes Leben abgeben und nützlich sein mag; denn sonst wärst du kleine Hexe auch gar zu possier¬ lich und scherzhaft für eine rechte Nonne! Aber nun," fuhr er mit ernster Stimme fort, "herunter vorerst mit den Rosen vom Kopf und dann aufmerksam zu¬ gehört !"
"Nein," sagte Jole etwas kecker, "erst will ich zu¬ hören und dann sehen, ob ich die Rosen herunter nehme. Nachdem ich einmal mein weibliches Gefühl überwunden, genügen Worte nicht mehr mich abzu¬ halten, eh' ich die Sünde kenne, und ohne Sünde werde ich keine Reue kennen, dieß gebe ich dir zu bedenken, ehe du dich bemühst! Aber immerhin will ich dich anhören!"
Jetzt begann Vitalis seine schönste Predigt, die er je gehalten. Das Mädchen hörte ihm anmuthig und
vielleicht auch, wenn ich einen guten Prediger finde, etwa ſpäter in ein Kloſter gehen und Buße thun!“
„Gut ſo, immer beſſer!“ rief er, „das iſt ja ein ordentlicher Kriegsplan und gar nicht übel errathen! Denn was den Prediger betrifft, ſo iſt er ſchon da, er ſteht vor dir, du ſchwarzäugiges Höllenbrätchen! Und das Kloſter iſt dir auch ſchon hergerichtet wie eine Mausfalle, nur daß man ungeſündigt hinein ſpaziert, verſtanden? Ungeſündigt bis auf den ſau¬ beren Vorſatz, der indeſſen einen erklecklichen Reueknochen für dein ganzes Leben abgeben und nützlich ſein mag; denn ſonſt wärſt du kleine Hexe auch gar zu poſſier¬ lich und ſcherzhaft für eine rechte Nonne! Aber nun,“ fuhr er mit ernſter Stimme fort, „herunter vorerſt mit den Roſen vom Kopf und dann aufmerkſam zu¬ gehört !“
„Nein,“ ſagte Jole etwas kecker, „erſt will ich zu¬ hören und dann ſehen, ob ich die Roſen herunter nehme. Nachdem ich einmal mein weibliches Gefühl überwunden, genügen Worte nicht mehr mich abzu¬ halten, eh' ich die Sünde kenne, und ohne Sünde werde ich keine Reue kennen, dieß gebe ich dir zu bedenken, ehe du dich bemühſt! Aber immerhin will ich dich anhören!“
Jetzt begann Vitalis ſeine ſchönſte Predigt, die er je gehalten. Das Mädchen hörte ihm anmuthig und
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0118"n="104"/>
vielleicht auch, wenn ich einen guten Prediger finde,<lb/>
etwa ſpäter in ein Kloſter gehen und Buße thun!“</p><lb/><p>„Gut ſo, immer beſſer!“ rief er, „das iſt ja ein<lb/>
ordentlicher Kriegsplan und gar nicht übel errathen!<lb/>
Denn was den Prediger betrifft, ſo iſt er ſchon da,<lb/>
er ſteht vor dir, du ſchwarzäugiges Höllenbrätchen!<lb/>
Und das Kloſter iſt dir auch ſchon hergerichtet wie<lb/>
eine Mausfalle, nur daß man ungeſündigt hinein<lb/>ſpaziert, verſtanden? Ungeſündigt bis auf den ſau¬<lb/>
beren Vorſatz, der indeſſen einen erklecklichen Reueknochen<lb/>
für dein ganzes Leben abgeben und nützlich ſein mag;<lb/>
denn ſonſt wärſt du kleine Hexe auch gar zu poſſier¬<lb/>
lich und ſcherzhaft für eine rechte Nonne! Aber nun,“<lb/>
fuhr er mit ernſter Stimme fort, „herunter vorerſt<lb/>
mit den Roſen vom Kopf und dann aufmerkſam zu¬<lb/>
gehört !“</p><lb/><p>„Nein,“ſagte Jole etwas kecker, „erſt will ich zu¬<lb/>
hören und dann ſehen, ob ich die Roſen herunter<lb/>
nehme. Nachdem ich einmal mein weibliches Gefühl<lb/>
überwunden, genügen Worte nicht mehr mich abzu¬<lb/>
halten, eh' ich die Sünde kenne, und ohne Sünde<lb/>
werde ich keine Reue kennen, dieß gebe ich dir zu<lb/>
bedenken, ehe du dich bemühſt! Aber immerhin will<lb/>
ich dich anhören!“</p><lb/><p>Jetzt begann Vitalis ſeine ſchönſte Predigt, die er<lb/>
je gehalten. Das Mädchen hörte ihm anmuthig und<lb/></p></div></body></text></TEI>
[104/0118]
vielleicht auch, wenn ich einen guten Prediger finde,
etwa ſpäter in ein Kloſter gehen und Buße thun!“
„Gut ſo, immer beſſer!“ rief er, „das iſt ja ein
ordentlicher Kriegsplan und gar nicht übel errathen!
Denn was den Prediger betrifft, ſo iſt er ſchon da,
er ſteht vor dir, du ſchwarzäugiges Höllenbrätchen!
Und das Kloſter iſt dir auch ſchon hergerichtet wie
eine Mausfalle, nur daß man ungeſündigt hinein
ſpaziert, verſtanden? Ungeſündigt bis auf den ſau¬
beren Vorſatz, der indeſſen einen erklecklichen Reueknochen
für dein ganzes Leben abgeben und nützlich ſein mag;
denn ſonſt wärſt du kleine Hexe auch gar zu poſſier¬
lich und ſcherzhaft für eine rechte Nonne! Aber nun,“
fuhr er mit ernſter Stimme fort, „herunter vorerſt
mit den Roſen vom Kopf und dann aufmerkſam zu¬
gehört !“
„Nein,“ ſagte Jole etwas kecker, „erſt will ich zu¬
hören und dann ſehen, ob ich die Roſen herunter
nehme. Nachdem ich einmal mein weibliches Gefühl
überwunden, genügen Worte nicht mehr mich abzu¬
halten, eh' ich die Sünde kenne, und ohne Sünde
werde ich keine Reue kennen, dieß gebe ich dir zu
bedenken, ehe du dich bemühſt! Aber immerhin will
ich dich anhören!“
Jetzt begann Vitalis ſeine ſchönſte Predigt, die er
je gehalten. Das Mädchen hörte ihm anmuthig und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/118>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.