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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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auf zu sehen wäre, "ich habe gut aufgemerkt, ich hasse
jetzt jene elende Sünde, die mir um so widerwärtiger
geworden, als sie dir Aergerniß erregt, lieber Mönch;
denn Nichts könnte mir mehr gefallen, was dir mi߬
fällt!"

"Wirklich?" rief er voll Freuden, "so ist es mir
doch gelungen? Jetzt komm' nur gleich in das Kloster,
damit wir deiner sicher sind. Wir wollen diesmal
das Eisen schmieden, weil es noch warm ist!"

Du verstehst mich nicht recht, erwiederte Jole und
schlug erröthend die Augen wieder zur Erde, "ich bin
in dich verliebt und habe eine zärtliche Neigung zu
dir gefaßt!"

Vitalis empfand augenblicklich, wie wenn ihn eine
Hand auf's Herz schlüge, ohne daß es ihm jedoch
dünkte, weh' zu thun. Beklemmt sperrte er die Augen
und den Mund auf und stand da.

Jole aber fuhr fort, indem sie noch röther wurde,
und sagte leise und sanft: "Nun mußt du mir auch
noch dies neue Unheil ausreden und verbannen, um
mich gänzlich vom Uebel zu befreien, und ich hoffe,
daß es dir gelingen werde!"

Vitalis, ohne ein Wort zu sagen, machte kehrt
um und rannte aus dem Hause. Er lief in den
silbergrauen Morgen hinaus, statt sein Lager aufzu¬
suchen, und überlegte, ob er diese verdächtige junge

auf zu ſehen wäre, „ich habe gut aufgemerkt, ich haſſe
jetzt jene elende Sünde, die mir um ſo widerwärtiger
geworden, als ſie dir Aergerniß erregt, lieber Mönch;
denn Nichts könnte mir mehr gefallen, was dir mi߬
fällt!“

„Wirklich?“ rief er voll Freuden, „ſo iſt es mir
doch gelungen? Jetzt komm' nur gleich in das Kloſter,
damit wir deiner ſicher ſind. Wir wollen diesmal
das Eiſen ſchmieden, weil es noch warm iſt!“

Du verſtehſt mich nicht recht, erwiederte Jole und
ſchlug erröthend die Augen wieder zur Erde, „ich bin
in dich verliebt und habe eine zärtliche Neigung zu
dir gefaßt!“

Vitalis empfand augenblicklich, wie wenn ihn eine
Hand auf's Herz ſchlüge, ohne daß es ihm jedoch
dünkte, weh' zu thun. Beklemmt ſperrte er die Augen
und den Mund auf und ſtand da.

Jole aber fuhr fort, indem ſie noch röther wurde,
und ſagte leiſe und ſanft: „Nun mußt du mir auch
noch dies neue Unheil ausreden und verbannen, um
mich gänzlich vom Uebel zu befreien, und ich hoffe,
daß es dir gelingen werde!“

Vitalis, ohne ein Wort zu ſagen, machte kehrt
um und rannte aus dem Hauſe. Er lief in den
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[108/0122] auf zu ſehen wäre, „ich habe gut aufgemerkt, ich haſſe jetzt jene elende Sünde, die mir um ſo widerwärtiger geworden, als ſie dir Aergerniß erregt, lieber Mönch; denn Nichts könnte mir mehr gefallen, was dir mi߬ fällt!“ „Wirklich?“ rief er voll Freuden, „ſo iſt es mir doch gelungen? Jetzt komm' nur gleich in das Kloſter, damit wir deiner ſicher ſind. Wir wollen diesmal das Eiſen ſchmieden, weil es noch warm iſt!“ Du verſtehſt mich nicht recht, erwiederte Jole und ſchlug erröthend die Augen wieder zur Erde, „ich bin in dich verliebt und habe eine zärtliche Neigung zu dir gefaßt!“ Vitalis empfand augenblicklich, wie wenn ihn eine Hand auf's Herz ſchlüge, ohne daß es ihm jedoch dünkte, weh' zu thun. Beklemmt ſperrte er die Augen und den Mund auf und ſtand da. Jole aber fuhr fort, indem ſie noch röther wurde, und ſagte leiſe und ſanft: „Nun mußt du mir auch noch dies neue Unheil ausreden und verbannen, um mich gänzlich vom Uebel zu befreien, und ich hoffe, daß es dir gelingen werde!“ Vitalis, ohne ein Wort zu ſagen, machte kehrt um und rannte aus dem Hauſe. Er lief in den ſilbergrauen Morgen hinaus, ſtatt ſein Lager aufzu¬ ſuchen, und überlegte, ob er dieſe verdächtige junge

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/122>, abgerufen am 29.11.2024.