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Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.

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beschloß ihre Vernichtung und befahl sie zu martern,
und, wenn sie beharre, zu tödten. Dann ging er
weg. Sie wurde auf einen eisernen Rost gelegt,
unter welchem Kohlen in der Art entfacht waren, daß
die Hitze nur langsam anstieg. Aber es that dem
zarten Körper doch weh. Sie schrie gedämpft einige
Male, indem ihre an den Rost gefesselten Glieder sich
bewegten und Thränen aus ihren Augen floßen.
Unterdessen hatte Theophilus, der sich von jeder Be¬
theiligung an solchen Verfolgungen fern zu halten
pflegte, von der Sache gehört und war voll Unruhe
und Schrecken herbeigeeilt; die eigene Sicherheit ver¬
gessend, drängte er sich durch das gaffende Volk, und
als er nun Dorothea selber leise klagen hörte, ent¬
riß er einem Soldaten das Schwert und stand mit
einem Sprunge vor ihrem Marterbette.

"Thut es weh, Dorothea?" sagte er schmerzlich
lächelnd, im Begriffe, ihre Bande zu durchschneiden.
Aber sie antwortete, plötzlich wie von allem Schmerz
verlassen und von größter Wonne erfüllt: "Wie
sollte es weh thun, Theophilus? Das sind ja die
Rosen meines vielgeliebten Bräutigams, auf denen
ich liege! Siehe, heute ist meine Hochzeit!

Gleich einem feinen lieblichen Scherze schwebte es
um ihre Lippen, während ihre Augen voll Seligkeit
auf ihn blickten. Ein überirdischer Glanz schien sie

beſchloß ihre Vernichtung und befahl ſie zu martern,
und, wenn ſie beharre, zu tödten. Dann ging er
weg. Sie wurde auf einen eiſernen Roſt gelegt,
unter welchem Kohlen in der Art entfacht waren, daß
die Hitze nur langſam anſtieg. Aber es that dem
zarten Körper doch weh. Sie ſchrie gedämpft einige
Male, indem ihre an den Roſt gefeſſelten Glieder ſich
bewegten und Thränen aus ihren Augen floßen.
Unterdeſſen hatte Theophilus, der ſich von jeder Be¬
theiligung an ſolchen Verfolgungen fern zu halten
pflegte, von der Sache gehört und war voll Unruhe
und Schrecken herbeigeeilt; die eigene Sicherheit ver¬
geſſend, drängte er ſich durch das gaffende Volk, und
als er nun Dorothea ſelber leiſe klagen hörte, ent¬
riß er einem Soldaten das Schwert und ſtand mit
einem Sprunge vor ihrem Marterbette.

„Thut es weh, Dorothea?“ ſagte er ſchmerzlich
lächelnd, im Begriffe, ihre Bande zu durchſchneiden.
Aber ſie antwortete, plötzlich wie von allem Schmerz
verlaſſen und von größter Wonne erfüllt: „Wie
ſollte es weh thun, Theophilus? Das ſind ja die
Roſen meines vielgeliebten Bräutigams, auf denen
ich liege! Siehe, heute iſt meine Hochzeit!

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[131/0145] beſchloß ihre Vernichtung und befahl ſie zu martern, und, wenn ſie beharre, zu tödten. Dann ging er weg. Sie wurde auf einen eiſernen Roſt gelegt, unter welchem Kohlen in der Art entfacht waren, daß die Hitze nur langſam anſtieg. Aber es that dem zarten Körper doch weh. Sie ſchrie gedämpft einige Male, indem ihre an den Roſt gefeſſelten Glieder ſich bewegten und Thränen aus ihren Augen floßen. Unterdeſſen hatte Theophilus, der ſich von jeder Be¬ theiligung an ſolchen Verfolgungen fern zu halten pflegte, von der Sache gehört und war voll Unruhe und Schrecken herbeigeeilt; die eigene Sicherheit ver¬ geſſend, drängte er ſich durch das gaffende Volk, und als er nun Dorothea ſelber leiſe klagen hörte, ent¬ riß er einem Soldaten das Schwert und ſtand mit einem Sprunge vor ihrem Marterbette. „Thut es weh, Dorothea?“ ſagte er ſchmerzlich lächelnd, im Begriffe, ihre Bande zu durchſchneiden. Aber ſie antwortete, plötzlich wie von allem Schmerz verlaſſen und von größter Wonne erfüllt: „Wie ſollte es weh thun, Theophilus? Das ſind ja die Roſen meines vielgeliebten Bräutigams, auf denen ich liege! Siehe, heute iſt meine Hochzeit! Gleich einem feinen lieblichen Scherze ſchwebte es um ihre Lippen, während ihre Augen voll Seligkeit auf ihn blickten. Ein überirdiſcher Glanz ſchien ſie

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_legenden_1872/145>, abgerufen am 23.11.2024.