Keller, Gottfried: Sieben Legenden. Stuttgart, 1872.und sah mit seltsamen Blicken zu dem betroffenen Aber er bekämpfte seine Verwirrung, schien diese Da rief Eugenia: "So helfe mir Gott!" und und ſah mit ſeltſamen Blicken zu dem betroffenen Aber er bekämpfte ſeine Verwirrung, ſchien dieſe Da rief Eugenia: „So helfe mir Gott!“ und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0038" n="24"/> und ſah mit ſeltſamen Blicken zu dem betroffenen<lb/> Aquilinus hinüber, der ſie anſtarrte, wie eine mit<lb/> höherem Wiſſen Begabte. „Wie kann der gleiche<lb/> Mann das Urbild peinigen?“</p><lb/> <p>Aber er bekämpfte ſeine Verwirrung, ſchien dieſe<lb/> Worte zu überhören und fuhr fort, kalt und ſtreng:<lb/> „Kurz geſagt, zu Ehren der armen Chriſtenmönche,<lb/> die mir unſchuldig ſcheinen, kann und will ich nie<lb/> glauben, daß du ein Weib ſeieſt! Mache dich bereit,<lb/> gerichtet zu werden, denn deine Mittheilungen haben<lb/> mich nicht befriedigt!“</p><lb/> <p>Da rief Eugenia: „So helfe mir Gott!“ und<lb/> riß ihr Mönchsgewand entzwei, bleich wie eine weiße<lb/> Roſe und in Scham und Verzweiflung zuſammen<lb/> brechend. Aber Aquilinus fing ſie in ſeinen Armen<lb/> auf, drückte ſie an ſein Herz und umhüllte ſie mit<lb/> ſeinem Mantel, und ſeine Thränen fielen auf ihr<lb/> ſchönes Haupt; denn er ſah wohl, daß ſie eine ehr¬<lb/> bare Frau war. Er trug ſie in das nächſte Zimmer,<lb/> wo ein reichgerüſtetes Gaſtbett ſtand, legte ſie ſanft<lb/> in dasſelbe hinein und deckte ſie mit Purpurdecken<lb/> zu bis an's Kinn. Dann küßte er ſie auf den Mund,<lb/> vielleicht drei oder vier Mal, ging hinaus und ver¬<lb/> ſchloß die Thüre wohl. Dann nahm er den noch<lb/> warmen Mönchshabit, der auf dem Boden lag, und<lb/> begab ſich wieder zu der harrenden Menge hinaus,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [24/0038]
und ſah mit ſeltſamen Blicken zu dem betroffenen
Aquilinus hinüber, der ſie anſtarrte, wie eine mit
höherem Wiſſen Begabte. „Wie kann der gleiche
Mann das Urbild peinigen?“
Aber er bekämpfte ſeine Verwirrung, ſchien dieſe
Worte zu überhören und fuhr fort, kalt und ſtreng:
„Kurz geſagt, zu Ehren der armen Chriſtenmönche,
die mir unſchuldig ſcheinen, kann und will ich nie
glauben, daß du ein Weib ſeieſt! Mache dich bereit,
gerichtet zu werden, denn deine Mittheilungen haben
mich nicht befriedigt!“
Da rief Eugenia: „So helfe mir Gott!“ und
riß ihr Mönchsgewand entzwei, bleich wie eine weiße
Roſe und in Scham und Verzweiflung zuſammen
brechend. Aber Aquilinus fing ſie in ſeinen Armen
auf, drückte ſie an ſein Herz und umhüllte ſie mit
ſeinem Mantel, und ſeine Thränen fielen auf ihr
ſchönes Haupt; denn er ſah wohl, daß ſie eine ehr¬
bare Frau war. Er trug ſie in das nächſte Zimmer,
wo ein reichgerüſtetes Gaſtbett ſtand, legte ſie ſanft
in dasſelbe hinein und deckte ſie mit Purpurdecken
zu bis an's Kinn. Dann küßte er ſie auf den Mund,
vielleicht drei oder vier Mal, ging hinaus und ver¬
ſchloß die Thüre wohl. Dann nahm er den noch
warmen Mönchshabit, der auf dem Boden lag, und
begab ſich wieder zu der harrenden Menge hinaus,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |