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Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856.

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Daß er aber in Amt und Würden stand und
hier den Wahlen präsidirte, gehörte zu jenen
Sünden der Seldwyler, die sich zeitweise so
lange anhäuften, bis ihnen die Regierung mit
einer Untersuchung auf den Leib rückte. Die
Landleute wußten theilweise wohl, daß es nicht
ganz richtig war mit diesem Präsidenten, allein
sie waren viel zu langsam und zu häcklich, als
daß sie etwas gegen ihn unternommen hätten,
und so hatte er sich bereits in einem Handum¬
drehen mit seinen drei oder vier Mitbürgern
das Geschäft des Tages zugeeignet, als Fritz
ankam. Dieser, als er das Häuflein rechtlicher
Landleute sah, freute sich, wenigstens nicht ganz
allein da zu sein, und es fuhr plötzlich ein un¬
ternehmender Geist in ihn, daß er unversehens
das Wort verlangte und gegen den Präsidenten
protestirte, da derselbe fallirt und bürgerlich
todt sei.

Dies war ein Donnerschlag aus heiterm
Himmel. Der ansehnliche Gastwirth machte ein
Gesicht, wie Einer der tausend Jahre begraben
lag und wieder auferstanden ist; jedermann sah
sich nach dem kühnen Redner um; aber die Sache

Daß er aber in Amt und Würden ſtand und
hier den Wahlen präſidirte, gehörte zu jenen
Sünden der Seldwyler, die ſich zeitweiſe ſo
lange anhäuften, bis ihnen die Regierung mit
einer Unterſuchung auf den Leib rückte. Die
Landleute wußten theilweiſe wohl, daß es nicht
ganz richtig war mit dieſem Präſidenten, allein
ſie waren viel zu langſam und zu häcklich, als
daß ſie etwas gegen ihn unternommen hätten,
und ſo hatte er ſich bereits in einem Handum¬
drehen mit ſeinen drei oder vier Mitbürgern
das Geſchäft des Tages zugeeignet, als Fritz
ankam. Dieſer, als er das Häuflein rechtlicher
Landleute ſah, freute ſich, wenigſtens nicht ganz
allein da zu ſein, und es fuhr plötzlich ein un¬
ternehmender Geiſt in ihn, daß er unverſehens
das Wort verlangte und gegen den Präſidenten
proteſtirte, da derſelbe fallirt und bürgerlich
todt ſei.

Dies war ein Donnerſchlag aus heiterm
Himmel. Der anſehnliche Gaſtwirth machte ein
Geſicht, wie Einer der tauſend Jahre begraben
lag und wieder auferſtanden iſt; jedermann ſah
ſich nach dem kühnen Redner um; aber die Sache

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[196/0208] Daß er aber in Amt und Würden ſtand und hier den Wahlen präſidirte, gehörte zu jenen Sünden der Seldwyler, die ſich zeitweiſe ſo lange anhäuften, bis ihnen die Regierung mit einer Unterſuchung auf den Leib rückte. Die Landleute wußten theilweiſe wohl, daß es nicht ganz richtig war mit dieſem Präſidenten, allein ſie waren viel zu langſam und zu häcklich, als daß ſie etwas gegen ihn unternommen hätten, und ſo hatte er ſich bereits in einem Handum¬ drehen mit ſeinen drei oder vier Mitbürgern das Geſchäft des Tages zugeeignet, als Fritz ankam. Dieſer, als er das Häuflein rechtlicher Landleute ſah, freute ſich, wenigſtens nicht ganz allein da zu ſein, und es fuhr plötzlich ein un¬ ternehmender Geiſt in ihn, daß er unverſehens das Wort verlangte und gegen den Präſidenten proteſtirte, da derſelbe fallirt und bürgerlich todt ſei. Dies war ein Donnerſchlag aus heiterm Himmel. Der anſehnliche Gaſtwirth machte ein Geſicht, wie Einer der tauſend Jahre begraben lag und wieder auferſtanden iſt; jedermann ſah ſich nach dem kühnen Redner um; aber die Sache

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Zitationshilfe: Keller, Gottfried: Die Leute von Seldwyla. Braunschweig, 1856, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/keller_seldwyla_1856/208>, abgerufen am 21.11.2024.